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Unerquicklicher Abschied


 
 

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Tragödie der Irrungen

Steht statt des populären Musicals Cabaret demnächst eine Tragödie oder Farce auf dem Programm? In Bad Hersfeld herrscht Handlungsbedarf, ausgerechnet auf einem Sektor, der bei vielen Städten vergleichbarer Größe nur Neid hervorruft: Wegen der Fortsetzung eines kulturellen Doppelangebots gibt es heftigen Streit zwischen dem Gründer des Arbeitskreises für Musik und Vorsitzenden, Siegfried Heinrich, dem Magistrat der Stadt, angeführt von Bürgermeister Thomas Fehling, und den bestens etablierten Bad Hersfelder Festspielen unter ihrem derzeitigen Intendanten Dieter Wedel.

Bereits vor über 50 Jahren gründeten Bad Hersfelder Bürgerinnen und Bürger den Verein zur Förderung der kulturellen und musikalischen Arbeit in der Kur- und Festspielstadt (AfM). Motor und künstlerischer Leiter war und ist der Kirchenmusikdirektor Siegfried Heinrich, der bis heute die Geschicke des Vereins lenkt und die vom Verein seit 1980 geplanten Opernaufführungen im Anschluss an die Festspiele inszeniert und dirigiert. Dieser AfM hat mit Heinrich, inzwischen ein rühriger 80-Jähriger, einen Vertrag, der ihn zum Künstlerischen Leiter der Oper „auf Lebenszeit“ macht.

Nun läuft der Kooperationsvertrag zwischen der Stadt Bad Hersfeld und dem AfM in diesem Jahr aus. Dieser Vertrag, an dem auch das Land Hessen beteiligt ist, sichert dem AfM die fast kostenfreie Mit- und Nachnutzung der Stiftsruine als Spielstätte zu. Schwer zu dokumentieren, aber immer wieder kolportiert sind auch Alleinvertretungsansprüche für Musikveranstaltungen, die dem Arbeitskreis zugesprochen worden sein sollen.

Dass die Stadt Bad Hersfeld keine Neigung spürt, diesen Vertrag unverändert fortzusetzen, ist nachzuvollziehen. Nach dem Willen der Stadt sollen die bisher nebeneinander und unter zwei Leitungen arbeitenden Bad Hersfelder Festspiele und die Oper in der Hersfelder Stiftsruine ab kommendem Jahr zusammen gelegt werden. Das ist ganz im Sinne des derzeitigen Festspiel-Intendanten Dieter Wedel, der an den Opernaufführungen manches zu kritisieren hat. Die Gemengelage ist kompliziert.

Abgesehen von unterschiedlichen Zielen, Programmvorstellungen und Anspruchsniveaus sind an den aktuellen Verhandlungen zwei Alphamänner beteiligt: Der populäre und – mindestens – sehr selbstbewusste und mediensichere Dieter Wedel als Intendant der Festspiele und das Hersfelder Kultur-Urgestein Siegfried Heinrich, der auch im Alter von 80 Jahren noch keine Neigung erkennen lässt, „seine“ Oper in andere Hände zu legen. Erbfolgekrieg und Königsmord in der größten romanischen Kirchenruine Europas?

Das möchte die Stadt Hersfeld verhindern, auch für Wedel wäre die Einer-Lösung die richtige Wahl. Doch Heinrich, Gründer, Motor und Organisator der Oper, will es nicht. Nun haben zwei Mitglieder des Vorstandes des AfM, der die Oper zu erheblichem Teil trägt und organisiert, das Handtuch geworfen – und Heinrich, weiterhin dickköpfig, steht vor einem Scherbenhaufen. Hersfelder Bürger sind von der Qualität der Opernaufführungen nicht nur begeistert. „Die Ruine verzieh und adelte immer wieder auch mäßige Inszenierungen“, erzählt ein Kenner der Szene.

Der Magistrat der Stadt Bad Hersfeld konnte sich bis jetzt nicht zu einer Entscheidung durchringen und vertagte einen Entschluss. Der Bildungs- und Kulturausschuss sieht durchaus die Gefahr, dass es nach auslaufendem Vertrag „möglicherweise im nächsten Jahr keine Oper“ gibt, wenn es den Streithähnen nicht gelingt, sich bis dahin auf ein akzeptables Konzept zu einigen. Viel Zeit für weitere Verhandlungen haben die Beteiligten nicht. Dieter Wedel, Intendant der Festspiele, drängt, er muss in wenigen Tagen das neue Festspielprogramm für das kommende Jahr bekannt geben, und da möchte er wissen, auf welchem Fundament er arbeitet.

Die Stadt möchte einerseits wegen der Kosten auf das Engagement der zahlreichen Ehrenamtlichen des AfM nicht verzichten, sieht andererseits „konsequenterweise, dass der AfM nur noch unter der Regie der Stadt, aber ohne Dirigent Heinrich eine Oper auf der Bühne der Stiftsruine durchführen kann“. Das hat Heinrich am 27. Juli abgelehnt, die Verhandlungen über eine Opernkooperation in der Stiftsruine sollen nicht fortgeführt werden, der Vertrag endet mit dieser Spielzeit. Der Magistrat der Stadt Hersfeld setzt mit „seiner jetzigen Entscheidung einen Schlussstrich unter die rund eineinhalb Jahre dauernden Verhandlungen mit dem AfM“ und stärkt die Position des Intendanten der Bad Hersfelder Festspiele. Künftig wird die Stadt Bad Hersfeld in enger Kooperation mit dem Hessischen Kultusministerium die Zuschüsse verwalten.

Noch ist unklar, ob aus der „Komödie der Irrungen“, die Wedel in diesem Jahr aufs Programm gesetzt hat, nicht doch noch eine Tragödie wird.

Horst Dichanz, 28.7.2015

 


In der Stiftsruine finden alljährlich
im Anschluss an die Festspiele in Bad
Hersfeld Opern statt.


Kirchenmusikdirektor Siegfried
Heinrich leitet die Opernaufführungen
und hat dazu einen Vertrag auf
Lebenszeit.

Bürgermeister Thomas Fehling muss
zwischen gewachsener Tradiiton und
dem Wohl der Stadt entscheiden.


Dieter Wedel leitet die Bad Hersfelder
Festspiele und möchte die Oper gern
in sein Programm integrieren.