Opernnetz

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Aktuelle Aufführungen

Wenn Oper zum Zufluchtsort wird

THE CAST - DIE OPERNBAND
(Diverse Komponisten)

Besuch am
30. Juni 2016
(Premiere)

 

 

The Cast, Bar jeder Vernunft, Berlin

Gleich zu Beginn erklärt Bariton und Conférencier Till Bleckwedel die Spielregeln:  Es darf geklatscht, Zustimmung – oder auch nicht – zugerufen, fotografiert und unter #thecast gepostet werden.  Auch mit den „geilen Sängern“ darf mitgesungen werden. Interaktivität erwünscht.  Wo gibt es denn das in einem Opernkonzert? Eben bei den Auftritten von The Cast, wie hier in der legendären Kleinkunst- und Cabaret-Bühne der Bar jeder Vernunft in Berlin.

The Cast ist eine Gruppe von sechs Sängerinnen, Sängern und einem Pianisten unterschiedlicher Nationalitäten, die sich alle in Deutschland zusammengesellt haben. Vorwiegend managen sie sich als Gruppe selbst, worauf sie besonders stolz sind. Karriere machen sie nebenbei auch, während sie selber Spaß haben und dem Publikum das Genre Oper näherbringen. Das hat das altersmäßig sehr gemischte Publikum an diesem Abend gut verstanden. Punks mit pinkfarbenen Frisuren lassen sich ebenso wie eingefleischte Opernliebhaber vom jugendlichen Elan der Gruppe mitreißen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Auf der kleinen Bühne, auf der die direkte Ansprache des Publikums möglich ist, mit nur einem Prospekt der Scala als Hinweis auf Oper im Hintergrund, moderieren sich die Sänger selbst mit flotten Sprüchen über ihren eigenen Werdegang und Anekdoten über den Kontext der Werke – auf Deutsch, Englisch und Denglisch.

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Dem Besucher wird eine „Liedliste“ mit 32 Titeln als Programm in die Hand gedrückt.  Schnell stellt sich heraus, dass diese Liste nur als Hinweis dient, insgesamt werden es dann 15 Stücke plus Zugaben. Abwechslungsreich in der Folge, mal eine Solo-Arie, mal im Duett oder Sextett präsentiert sich die Gruppe. Dabei werden Stärken und Schwächen deutlich. Hervorragend die Bühnenpräsenz von Koloratursopranistin Carrie Ann Winter mit Sempre Libera. Mezzo Anne Byrne beweist Komiktalent mit einer Parodie von der Seguidilla aus Carmen, um sich anschließend gleich von einem Latin-Lover- Bariton und Sugar-Daddy-Bass in Don Giovannis La ci darem la mano verführen zu lassen. Sopranistin Bryn Vertesi könnte sich einen Gefallen erweisen, indem sie geeignetere Arien für sich aussucht – ihr Vissi d’arte aus Tosca überfordert sie deutlich. Guillermo Valdes besticht durch ein schönes tenorales Timbre, das mit La donna è mobile aus Rigoletto wesentlich besser zur Geltung kommt als mit Nessun dorma aus Turandot.  Auch er täte wohl daran, sich beraten zu lassen und nicht über sein Fach hinaus zu singen. Till Bleckwedel beweist einen geschmeidigen Bariton mit der Arie des Todes aus Der Kaiser von Atlantis von Ullmann. Auch der Bass Campbell Vertesi zeigt Mut zu außergewöhnlichem Repertoire mit der Arie Si la Rigueur aus La Juive von Halévy. Bestens unterstützt wird das Ensemble von dem Pianisten Brandon Eldredge, der immer wieder probiert, seine intellektuellen Pointen durchzusetzen, sehr zum Amüsement der Sänger und des Publikums.

Das Publikum in der ausverkauften Bar jeder Vernunft ist hingerissen und entlässt The Cast nicht so leicht. Erst nach mehreren Zugaben ist Schluss.  So wünscht man sich einen Einstieg in die Oper – mit einem jungen Ensemble, das nur so sprudelt mit Pfiff und Humor, jegliche Schwellenangst nimmt und Lust auf mehr – vielleicht auch Ernsteres – macht.

Zenaida des Aubris