Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Hans Jörg Michel

Aktuelle Aufführungen

Respekt vor dem Genre

DER GRAF VON LUXEMBURG
(Franz Lehár)

Besuch am
3. Dezember 2016
(Premiere)

 

 

Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf

Dass die Deutsche Oper am Rhein die Operette auf die leichte Schulter nimmt, kann man ihr wahrlich nicht nachsagen. Für Franz Lehárs einst sensationell populäres, in den letzten Jahrzehnten eher zurückhaltend wahrgenommenes Erfolgs-Stück Der Graf von Luxemburg aus dem Jahre 1909 verpflichtet Intendant Christoph Meyer mit Jens-Daniel Herzog immerhin einen international anerkannten Regisseur und mit Sängern wie Bo Skovhus und Juliane Banse zwei kapitale Opern-Stars. Vom Einsatz des vielköpfigen Ensembles samt großem Chor und Ballett ganz zu schweigen.

Dass Meyer mit klingenden Namen die Zugkraft der Aufführungen verstärken will, ist sein gutes Recht. Auch wenn man nicht weiß, wie sich das Stück in der ausschließlich hauseigenen Zweitbesetzung anhören wird.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Ein Operetten-Abend kann nur gelingen, wenn das scheinbar so „leichte“ und so oft misshandelte Genre ernst genommen wird, aber nicht todernst. Die Leichtigkeit des Seins am Rande des Abgrunds spüren zu lassen, diesen Tonfall abseits von Klamotte, bleischwerer Tragödie oder sentimentalem Rührstück zu treffen, gelingt nicht oft. Herzog kommt diesem Ideal in seinem Operetten-Debüt erfreulich nahe.

Foto © Hans Jörg Michel

Man spürt seinen Respekt vor der Gattung. Herzog, amtierender Intendant der Dortmunder Oper, hat das Stück vor zwei Jahren an seinem eigenen Haus gezeigt, geht als Regisseur jedoch andere Wege. Die Kernhandlung formt er so kraftvoll und wuchtig aus wie die beiden Gäste ihre Hauptrollen. Bo Skovhus in der Titelpartie brütet am Beginn vor schwarzem Hintergrund einsam wie Hagen auf der Wacht vor sich hin. Äußerlich verkörpert er einen extrem maskulinen Kraftmenschen, stimmlich dreht er mächtig und robust auf. Und auch Juliane Banse als seine Angebetete sprengt mit harten, irritierend angestrengten Spitzentönen den Rahmen operettenhafter Gemütlichkeit. Gesäuselt und gezirpt wird hier nicht.

Die Handlung gibt dazu auch keinen Anlass. Denn um Liebe geht es nur sekundär. Hier regiert Geld die Welt. Der völlig abgebrannte Graf René von Luxemburg willigt ein, gegen ein opulentes Entgelt des russischen Fürsten Basil die bürgerliche Operndiva Angèle Didier inkognito zu heiraten, um sich drei Monate später scheiden zu lassen. Dann stünde einer Heirat des mafiösen Russen mit der in den Adelsstand aufgestiegenen Sängerin nichts im Wege. Als sich René und Angèle zufällig begegnen, flackert die Liebe auf. Doch der mit Basil geschlossene Vertrag scheint die Liebe zu torpedieren, bis ein Dekret des Zaren eintrifft, der Basil verpflichtet, die ältere Gräfin Stasa zu heiraten. Es kommt zu einem Happy End, allerdings einem verhaltenen, wie Lehár und seine vorzüglichen Librettisten ohnehin äußerst feinfühlig die Gefühlsverwirrungen zum Ausdruck bringen.

Der Gefahr, dass sich die Sorgenfalten zu stark eingraben könnten, begegnet Herzog mit vielen, meist feinen Details, die im Hintergrund den Ernst der im Grunde bösen Handlung ironisch aufbrechen. Dazu gehören die Slapstick-Aktionen der russischen Mafia-Gang im Gefolge des arroganten Fürsten, die lockere, bisweilen überdreht verspielte Komplementär-Romanze des reichlich mittel- und talentlosen Künstlerpaars Armand und Juliette und die etwas weiträumig ausgewalzten Auftritte des Schauspielers Oliver Breite, der gleich in fünf Rollen und Kostüme schlüpfen muss, unter anderem in die eines Comic-Drachens, der Angèles Künstlereingang mit allen deutschen Pförtner- und Hausmeistertugenden verteidigt.

Die flexibel rotierenden Bühnenbilder von Mathis Neidhardt sorgen für rasche und lebendige Szenenwechsel, wobei in der Ausstattung auf Operetten-Plüsch verzichtet wird. Auch der Einsatz des nicht sehr einfallsreich choreografierten Balletts bleibt eher zurückhaltend. Den Schleier der Korruption, der auf alle Figuren fällt, kann kein noch so schön wiegender Walzer fortwehen.

Mit Samthandschuhen fasst auch Lukas Beikircher am Pult der Düsseldorfer Symphoniker die Partitur nicht an. Der Himmel im Düsseldorfer Opernhaus hängt nicht voll süßer Geigen. Gleichwohl trifft auch Beikircher die Balance zwischen Leichtigkeit und Nachdruck. Skovhus in der Titelrolle verzichtet auf jeden Operetten-Charme und spielt seine Rolle druckvoll, fast rabiat aus. Auch stimmlich übt er nicht die geringste Zurückhaltung. Ähnlich präsent agiert Juliane Banse als begehrenswerte Sängerin Angèle, die in den Höhen freilich Grenzen erkennen lässt. Da ließe sich manche melodische Linie durchaus geschmeidiger vorstellen. Neben den beiden Stars gruppiert sich ein durchweg exzellentes Ensemble, aus dem Lavinia Dames als Juliette und Cornel Frey als Armand besonders angenehm hervorstechen. Der Bass von Bruce Rankin als Fürst Basil könnte ein wenig mehr Volumen vertragen und Susan Maclean sorgt mit ihrem kurzen Auftritt als alternde Gräfin Stasa für einen besonderen Szenenapplaus.

Der begeisterte Beifall des Premieren-Publikums fällt ungetrübt aus. Ein wichtiger Erfolg für die Deutsche Oper am Rhein, auch wenn sich in der Alternativbesetzung manches anders anhören wird. Allerdings nicht unbedingt schlechter.

Pedro Obiera