Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Gemeißelte Bewegungsformationen

b.29
(George Balanchine/Martin Schläpfer/
Jerome Robbins)

Besuch am
30. Oktober 2016
(Premiere am 28. Oktober 2016)

 

Ballett der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorf Duisburg, Duisburg

Der triumphale Beifall nach der Aufführung seiner neuesten Kreation Konzert für Orchester in seinem mittlerweile 29. Programm b.29 dürfte wohl nicht ausreichen, dass sich Martin Schläpfer, der sich vernachlässigt fühlende Ballettdirektor der Deutschen Oper am Rhein, in Düsseldorf ab jetzt heimischer fühlen wird als in den letzten sieben Jahren seines erfolgreichen Wirkens. Selbst wenn man darüber hinwegzusehen versucht, dass Schläpfer aus einer Position jammert, um die ihn etliche existenzbedrohte Kollegen beneiden dürften, bringt er unbeabsichtigt einen Stein ins Rollen, mit dem er seine eigene Leistung in Frage stellt.

Ist es ihm gelungen, ein Ensemble zusammenzuschweißen, was er selbst bezweifelt, oder hantiert er seit Jahren mit kompetenten, aber inkompatiblen Einzelkämpfern herum? Was die Synchronität der Tänzer in größeren Formationen angeht, bei der ihm etwa seine unter schwierigeren Bedingungen arbeitende Gelsenkirchener Kollegin Bridget Breimer überlegen ist, könnte man Zweifel an einem homogenen Corpsgeist hegen. Egal, wie Schläpfer zum klassischen Handlungsballett stehen mag. Wäre derzeit ein Schwanensee überhaupt auf dem Niveau machbar, das man von seinen eigenwilligen Kreationen gewohnt ist?

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Nun stellt gerade sein neuestes Werk, das Konzert für Orchester zur ruppigen Musik von Witold Lutoslawskis gleichnamigem Werk, keine großen Anforderungen an Synchronität und Homogenität. Im Gegenteil: Die Kommunikation zwischen den Tänzern ist in dem Stück so gestört, dass Wackelkontakte und Störfeuer zum Konzept gehören. Zu den schroffen Klängen Lutoslawskis bewegen sich die Tänzer im schwarz ausgeschlagenen Bühnenraum von Florian Etti wie aggressive Kraftmaschinen.

Foto © Gert Weigelt

So weich sich die Tänzer zuvor zu George Balanchines Mozartiana bewegten, so hart gemeißelt wirken seine eigenen Formationen. Nichts Unverbindliches lockert das intensive, halbstündige Treiben auf, für das Schläpfer eine unerschöpfliche Palette von Figuren und Konstellationen entworfen hat, die in dieser Kombination und dieser strengen Konsequenz ihre Wirkung nicht verliert. Angesichts der rauen Ton- und Bewegungssprache stören somit auch nicht die immer noch nicht ausgemerzten Mängel in der Synchronität. Eine beeindruckende Arbeit, nicht minder die orchestrale Unterstützung durch die Duisburger Philharmoniker unter Leitung von Wen-Pin Chien.

Wie ein nostalgischer Abgesang auf das klassische Ballett präsentiert sich Balanchines Mozartiana nach Tschaikowskys gleichnamiger Orchestersuite. Der Bühnenrand ist schwarz umflort, der Hintergrund strahlend blau ausgeleuchtet. Eindrucksvolle Soloszenen und Pas de deux‘ erinnern ein wenig nostalgisch an Glanzzeiten des klassischen Balletts, die in dieser kristallin reinen Form der Vergangenheit angehören.

Und richtig zu lachen gibt es bei Jerome Robbins überdrehter Slapstick-Revue The Concert, in der Musik von Chopin abwechselnd von Matan Porat auf dem Klavier und in Orchesterarrangements von Claire Grundmann erklingt und in der die Figuren wie Kintopp-Stars über die Bühne wirbeln. Sehr zum Vergnügen des Publikums, das bei Schläpfer ansonsten manches zu bewundern, aber nur wenig zu lachen hat.

Begeisterter Beifall im sehr gut besuchten Duisburger Theater für einen abwechslungsreichen Ballettabend auf Schläpfer-Niveau. Die Treue des Publikums scheint ungebrochen.

Pedro Obiera