Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Enrico Nawrath

Aktuelle Aufführungen

Erfrischender Geschlechterkampf

L'ITALIANA IN ALGERI
(Gioacchino Rossini)

Besuch am
26. Dezember 2016
(Premiere)

 

 

Tiroler Festspiele Erl

Mustafa 1: Mit der feierlichen Überreichung eines Fußball Trikots mit dieser Aufschrift und eines riesigen, italienischen Reisepasses wird der Bey von Algier, Mustafà, in einer völlig grotesken Szene, dem Höhepunkt der Oper, vor Fußball spielenden Italienern, Kochtöpfen und einem Tisch mit einer Madonna-Statue, Blumen und Kerzen, zum Pappataci – hier: Vielfraß, eigentlich bedeutet es Stechmücke – Italiens ernannt und so zum Affen gemacht.

Auch sonst spart Wolfgang Berthold in seiner Inszenierung von Gioacchino Rossinis L’italiana in Algeri im Festspielhaus von Erl nicht mit gängigen Klischees und pointierten Witzen. Er lässt diese Opera buffa, eine Fortsetzung des Rossini-Zyklus bei den Tiroler Festspielen, in einem weißen, eleganten Einheitsraum spielen, der frappant an das Foyer des Erler Festspielhauses, die Ausstattung stammt von Jan Hax Halama, erinnert. Das wirkt etwas beliebig. Durch dessen große Fenster kann man aber dahinter die Silhouette der Stadt Algier erkennen. Es ist eine etwas weit hergeholte, bildliche Metapher des Regisseurs, nämlich damit den eigenen kulturellen Horizont zu überschreiten, wie er selbst erklärt.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

In einer Zeit nahe am Heute und das Groteske herausstreichend, wird der Geschlechterkampf gezeigt, bei dem die Männer letztlich nicht gut aussehen, wenn sie die Konfrontation mit einer starken Frau suchen. Nur wirkt die Inszenierung des Werkes, das inhaltlich an die seit Mozart und Gluck so beliebten Serail-Opern anknüpft, in aktuellen, luxuriös wirkenden Gewändern, zwar nicht ohne Witz, aber trotz genauer Personenführung und Einbeziehung zweier, oft anwesender und aktiver Tänzerpaare doch etwas bemüht.  Denn viele der humorvoll gemeinten Gags zünden nicht wirklich.

Foto © Enrico Nawrath

Nicht bemüht hingegen ist die Leistung des Sänger-Ensembles, sondern vielmehr, wie so oft hier in Erl, erstaunlich gut: Aurora Faggioli ist eine dunkle samtige, koloratursichere, blendend aussehende und agierende Isabella, die den Männern nicht nur den Kopf verdreht, sondern sie auch an die Wand spielt. Giovanni Battista Parodi ist ein stimmgewaltiger, komischer Mustafa, allerdings mit einigen Unsicherheiten bei den Koloraturen. Yosuke Kobori bewältigt die mörderischen Höhen des schmachtenden Lindoro mit kleinen Einschränkungen sicher. Bianca Tognocchi ist eine hellstimmige, lyrische Elvira und Oliviero Giorgiutti ein passabler Taddeo. Nicola Ziccardi ist ein solider Haly und Alena Sautier eine stimmlich und optisch entzückende Zulma. Auch die klein besetzte, ebenfalls sehr spielfreudige Chorakademie des Hauses macht ihre Sache sehr gut.

Gustav Kuhn hat mit seinemwieder auffallend sehr jung besetzten Orchester der Tiroler Festspiele Erl intensiv geprobt und lässt es, nur selten zu laut, frisch wie auch luftig musizieren. Dabei hält er eine gute Balance zwischen Bühne und Graben. Der Festspielintendant sorgt am Pult für den notwendigen, rhythmischen Drive und lässt mit zügigen Tempi Rossinis hinreißende Musik voll Temperament und Melodie, voll Witz und Verspieltheit, so richtig kichern und funkeln!

Dem Publikum gefällt es insgesamt sehr. Es spendet nach nahezu jeder Arie viel Applaus und beschließt den Abend mit einem Riesenjubel im wieder vollen Haus.

Helmut Christian Mayer