Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Gadi Dogan

Aktuelle Aufführungen

Verbindender Hummus

WE LOVE ARABS
(Hillel Kogan)

Besuch am
23. November 2016
(Einmalige Aufführung)

 

 

Tanz Karlsruhe, Tempel Scenario

Einen Schwerpunkt des Festivals Tanz Karlsruhe bildet die Auseinandersetzung mit der Tanzszene Israels. Neben der Kinovorstellung des Tanzfilms Mr. Gaga, der den bedeutenden israelischen Choreografen Ohad Naharin porträtiert, gab es auch die Gelegenheit, mit dem israelischen Choreografen und Tänzer Hillel Kogan einen kleinen Workshop zu belegen. Der zeigt zudem seine Zwei-Mann-Produktion We love Arabs, 2013 in Tel Aviv uraufgeführt, in der Szenariohalle.

Hans Traut, Kurator des Festivals, schmerzen sichtlich noch die Oberschenkel vom Workshop, als er auf die Bühne klettert, um das Publikum offiziell zu begrüßen. Nicht nur auf der Bühne wird es an diesem Abend politisch, auch im Publikum sitzen die Kulturverantwortlichen der Stadt versammelt und verfolgen gespannt das Bühnengeschehen.

POINTS OF HONOR
Musik
Tanz
Choreografie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Choreograf und Tänzer Hillel Kogan verhandelt dort 45 Minuten lang auf humorvolle Weise Klischees und Vorurteile von Juden und Arabern, die versuchen, in Israel zu koexistieren. In schlichter dunkler Hose und verwaschenem Shirt steht Kogan auf der Bühne und versucht, sich dem Publikum auf englischer Sprache zu erklären. Was ihm natürlich nicht gelingt und er folglich kunstvoll nach Worten ringt, in suchende Tanzbewegungen verfällt, um den Faden sofort wieder aufzunehmen und das Publikum mit seiner differenziert-philosophischen Weltsicht zu umgarnen.

Foto © Gadi Dogan

Ohne großes Federlesen betritt Mourad Bouayad in schwarzen Trainingsklamotten die Bühne, um die Rolle des Arabers in Kogans Stück auszufüllen. Es entspinnt sich ein Wechselspiel von (selbst)ironischen Rollenzuweisungen, grotesken Tanzsequenzen und Improvisationen, die das Publikum immer wieder zu Lachanfällen animieren. Kogans Spiel beschränkt sich jedoch nicht auf das konfliktbeladene Verhältnis von Arabern und Israelis, hier sind viele Metaebenen zu erkennen. Auch das Bild eines überdrehten, selbstverliebten Choreografen wird verhandelt, der seinen offensichtlich intelligenten und fähigen Tänzer bevormundet und zurechtbiegt, wo er nur kann. Schlussendlich wird eine Schüssel Hummus zum verbindenden Element und das im wahrsten Sinne des Wortes: Die Kichererbsenpaste landet in den Gesichtern der Tänzer. Dem Publikum wird ungefragt Hummus mit Fladenbrot in den Mund geschoben, um sich hiernach die Hände zu reichen und einen Kreis zu bilden.

Das anschließende Publikumsgespräch unter der Moderation des Dramaturgen und Regisseurs Avishai Milstein bietet die Möglichkeit, die Künstler zu ihrem Stück zu befragen. Hier werden Zusammenhänge und Hintergründe offengelegt, die das sichtlich interessierte Publikum bewegen. Beispielsweise die Erkenntnis, das Kogan nur zwei arabische Tänzer kennt. Es gäbe in Israel einfach keine. Doch die Zuschauer nutzen die Gelegenheit auch, um den Tänzern für diesen Abend zu danken.

Umso ärgerlicher ist es, dass in dem ohnehin lückenhaft besetzten Saal bereits nach Ende des Bühnenstücks etliche Zuschauer den Saal geräuschvoll verlassen. Auch während des Gesprächs poltern immer wieder irgendwo Gläser und Flaschen umher, weil Menschen gehen. Begeisterung für das Geschehen auf der Bühne und Übertrag auf das eigene Leben, in dem Gemeinschaft immer auch verhandelt werden muss, gelingt dem Karlsruher Publikum leider nicht.

Jasmina Schebesta