Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Lorraine Wauters

Aktuelle Aufführungen

Rückfall in die Opern-Steinzeit

NABUCCO
(Giuseppe Verdi)

Besuch am
19. Oktober 2016
(Premiere am 18. Oktober 2016)

 

 

Opéra Royal de Wallonie, Liège

So beeindruckend es Stefano Mazzonis di Pralafera, dem Intendanten der Lütticher Opéra Royal de Wallonie, gelingt, sein Haus mit einem interessanten Repertoire und einer szenisch moderaten, aber erkennbaren Risikobereitschaft auf erfreulichem musikalischem Niveau auf dem Laufenden zu halten, so sehr verstört er derzeit als Regisseur mit einer Inszenierung von Giuseppe Verdis Nabucco, die so antiquiert wirkt, als sei sie einem Opernmuseum entlaufen. Auch wenn gewisse Rücksichten auf den Kooperationspartner, die Israelische Oper von Tel Aviv, eine Rolle gespielt haben mögen, sind auch international die Zeiten vorbei, in denen man sich damit begnügt, Figuren lediglich in Position zu setzen und auf jede tiefergehende Deutung zu verzichten.

Es wird die Geschichte der Israeliten in babylonischer Gefangenschaft in historisierenden Kostümen von Fernand Ruiz und dunklen Dekorationen von Alexandre Heyraud mit oratorienhafter Statik erzählt: nicht mehr und nicht weniger. Da hat José Cura mit seiner ebenfalls konservativen Turandot-Inszenierung zuletzt eine Menge mehr geboten.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Dem gut vernetzten Intendanten ist es gelungen, auch für den Nabucco mit Leo Nucci einen internationalen Star zu verpflichten. Allerdings nur für fünf der insgesamt neun Aufführungen. Auch die restlichen Hauptrollen werden zweifach besetzt. Angesichts der heiklen Partien, mit denen Verdi sein frühes Erfolgsstück bedacht hat, sind damit Probleme kaum zu vermeiden. Zwei in etwa gleichwertige Besetzungen für das Stück zu finden, kommt einer Quadratur des Kreises gleich. Zumal selbst ein Kassenmagnet wie Leo Nucci zwar immer noch ein beachtliches Charisma ausstrahlt, auch wenn die Jahre an seiner Stimme nicht spurlos vorübergegangen sind.

Foto © Lorraine Wauters

Dass die B-Premiere mit der Alternativbesetzung angesichts eklatanter vokaler Schwächen musikalisch nicht völlig aus dem Ruder läuft, ist dem stimmstarken Chor und der versierten musikalischen Leitung des bewährten Dirigenten Paolo Arrivabeni zu verdanken. Gesanglich zeigen sich etliche Protagonisten überfordert. Ionut Pascu in der Titelrolle agiert ebenso blass wie er singt. Tatjana Melnychenko stemmt die mörderische Partie der Abigaille mit viel Kraft und noch mehr Schärfe. Cristian Mogosan als Ismaél und Na’ama Goldman als Fenena gelingt es nicht, sich richtig freizusingen.

Das Publikum im voll besetzten Haus bedankt sich mit dosiertem Beifall für einen Rückfall in die Opern-Steinzeit, der zum Glück nicht typisch für das ansonsten ambitionierte Theater ist. Und das wird hoffentlich bereits die nächste Produktion mit Mozarts Don Giovanni zeigen, inszeniert von dem preisgekrönten Filmregisseur Jaco Van Dormael.

Pedro Obiera