Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Alle Fotos © Christian Zach

Aktuelle Aufführungen

Send in some Romance

DAS LÄCHELN EINER SOMMERNACHT
(Stephen Sondheim)

Besuch am
5. Februar 2016
(Premiere)

 

Gärtnerplatztheater
im Cuvilliés-Theater, München

Gerade in dieser Woche wurde die schlechte, aber erwartbare Nachricht veröffentlicht: Auch 2015 kann das Gärtnerplatztheater aufgrund der Renovierungsarbeiten nicht ins Stammhaus zurückkehren, die Zeit des Vagabundierens verlängert sich, die Wanderschaft wird fortgesetzt.

Heimisch fühlt man sich inzwischen im prächtigen Cuvilliéstheater, das von diesem Umstand profitiert und wieder Bühne des Musiktheaters, prägnanter Produktionen im mittelgroßen Rahmen wird. Hier nun feiert auch das selten gespielte, erstmals ebenfalls vom Gärtnerplatztheater 1994 inszenierte Stephen-Sondheim-Stück Das Lächeln einer Sommernacht Premiere. Die freie Vertonung des Bergman-Films liefert als typischer Sondheim verquickte Melodien, Ensemblenummern und Songsplitter und dann diese eine Jahrhundertnummer Send in the Clowns. Der Inhalt des tragikomischen, nordischen Liebesreigens oszilliert zwischen Boulevard und echter Romanze, ein wenig, als habe Billy Wilder Tschechow bearbeitet. Die Anleihen im Personal und der wundervoll melancholischen Stimmung an die Möwe sind offenkundig.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Intendant Josef E. Köpplinger weiß diesen Stoff zu nehmen und inszeniert ihn mit flottem, feinfühligem Timing und reduzierter wie präziser Bühnenhandlung. Chefausstatter Rainer Sinell baut eine minimale Bühne mit schräg verlaufendem Vorhang, der auf der leeren, viel bespielten Drehbühne meist galante Umbauten mit dezentem Mobiliar ermöglicht. Gefüllt wird diese zur Musik im Walzertakt von schwebenden Darstellern, die sich wie in der Liebe und im Bäumchen-wechsel-dich-Spiel kreuzen und begegnen. Das unterstützt Stammchoreografin und Routinière Ricarda Regina Ludigkeit mit kluger Inszenierung. Ebenso klug die nicht anders als geschmackvoll und stilecht gestalteten Kostüme von Maria Luise Walek. Auf dem Landsitz hebt sich der schwarze Vorhang, und vor dem Waldprospekt stehen da drei Bäume, mal eine Tafel, eine Bank, ein Bett. Ganz dezent konzentriert sich Köpplinger auf die teils ernsthaften, teils gewitzten Probleme seiner Darsteller. Die Angst vor der Entjungferung des jungen Engels, die Lust auf die verruchte Jugendliebe, die Sehnsucht nach dem Begehren des Ehemannes, das er nur seiner Geliebten schenkt. Alles das ist zu Beginn noch etwas textlastig, im zweiten Teil nach arrangiertem Versteckspiel der kleinen Sommernachtsmusik hochgradig amüsant.

Foto © Christian Zach

Das liegt an gut gelaunten, mittlerweile etablierten Publikumslieblingen, die mit sichtbarer Freude das machen, was sie können. Gisela Ehrensperger philosophiert weltklug und präsent über ihre Liaisons, Dany Prohaska darf nach all den Liebhabern den bornierten Dragoner geben, Erwin Windegger rührt als mehrfach verliebter, später Anwalt. Brillanter Neuzugang nach Gefährliche Liebschaften ist die köstliche Julia Klotz als abgebrühte Gräfin mit gemein guten Einzeilern, Pointenlust, komödiantischer Grandezza und stimmlichem Einfühlungsvermögen. Näher an der Wahrheit war das einfarbig blonde Klischee einer Anne nie als bei Beate Korntner, die verzückt und mit scharfer Phrasierung und beeindruckendem Tempo besticht. Leicht übersteuernd, aber ach wie schmachtend Christof Messner als Henrik, der seinen Glauben verliert. Unterstützt werden die Liebenden durch fünf Barden, die chorisch die Handlung begleiten, und bei denen gerade die mittlerweile etablierten Solisten aus dem Chor, Stefan Thomas und Thomas Hohenberger, spielerisch wie stimmlich überzeugen. Und dann sitzt, zurückgenommen und zwischen Komik und innerer Tragik brillant balancierend, Sigrid Hauser als Desirée auf ihrem Bett und stimmt Sondheims Melodie für die Ewigkeit an. Dabei singt sie als Provinzschauspielerin ganz in der Rolle, nicht als Operettendiva, sondern dezent und melancholisch, seelen- und gefühlvoll von den Clowns und lange schallt ihr der Applaus nach, und lange nach dem Abgang noch besteht die Stimmung dieses Sommernachtsaugenblickes.

Das versüßt das geschwinde, klangaffine Orchester unter Fachmann Andreas Kowalewitz. Beim Weekend in the Country, in den Duetten, in den Zwischenspielen: der Musical-Experte versteht Sondheim und bringt ihn zum Klingen, was schwerer ist, als Nummern abzuarbeiten, er behält die Melancholie und swingt dennoch geschickt.

Da schließt sich gern das begeisterte Publikum an, das sich diesem Lächeln ergibt und eine traumhafte Nacht im Cuvilliés erlebt.

Andreas M. Bräu