Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Alle Fotos © Lioba Schöneck

Aktuelle Aufführungen

Fantasie besiegt Gewalt

SCHEHERAZADE
(Anna Vita)

Besuch am
23. Januar 2016
(Premiere)

 

 

Mainfranken-Theater Würzburg

Scheherazade, der Name der geheimnisvollen Erzählerin aus Tausendundeiner Nacht verheißt Verzauberung durch exotische Märchen, reizvolle Entführung in glitzernde, ferne Welten voller Erotik, drohender Gewalt und orientalischer Pracht. Diesen Traum erfüllt auch der erste Teil des Balletts von Anna Vita am Mainfranken Theater Würzburg auf wunderbar fantastische Weise; der zweite Teil aber ist weniger fesselnd, denn er bricht den schönen Schein mit Hinweisen auf unsere Gegenwart, Umweltzerstörung und Flüchtlingsdrama auf.

Alles beginnt mit der erwarteten, wunderbaren Atmosphäre in einem orientalischen Palast, den der Sultan schließlich verärgert verlässt, als seine Gattin ihren Schleier ablegt und ihr langes Haar verführerisch wehen lässt. Sie kann sich nun die Zeit mit drei Sklaven vertreiben, vor allem mit einem äußerst attraktiven Mann in einem sinnlich erotischen Akt. Als der Sultan zurückkehrt, tötet er zuerst den Liebhaber seiner Frau, dann auch sie. Geistergestalten suchen ihn heim, aber er sucht zornig eine neue Frau. Dafür bietet sich die Tochter des Wesirs an, und sie entführt ihren Gatten in der ersten Nacht in ihrer Erzählung in die Reisen Sindbads des Seefahrers. Gerade als im Sturm das Schiff sinkt, bricht sie ab. Im zweiten Akt des Balletts fährt sie fort mit der Landung auf einer Insel; doch die Idylle dort wird durch Umweltzerstörung und Vermüllung beendet. Dann geraten der Sultan und Scheherazade auf den Spuren ihrer nächsten Erzählung in die Wüste. Doch dort stören Flüchtlinge und Krieg den Frieden. In der folgenden Erzählung fliegen beide in den Weltraum: ein Komet trifft Sindbad tödlich, und endlich entschließt sich der Sultan, Scheherazade und ihrer Liebe zu ihm zu vertrauen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Das alles wird in der verzaubernden Ausstrahlung unterstützt durch die Bühne von Sandra Dehler, die die Schauplätze nur andeutet durch Vorhänge, durch traumhaftes Licht von Roger Vanoni und durch Videos von Nikolai Kröhnert. Die orientalisch exotische Atmosphäre aber wird vor allem durch die prächtigen, schimmernden und glitzernden Kostüme von Stephan Stanisic hervorgerufen; transparente Muschel-Gewänder entführen ins Fantastisch-Irreale, und auch die reflektierenden Effekte etwa bei schwebenden Vogelwesen tun ein Übriges, das geheimnisvoll Märchenhafte zu betonen.

Foto © Lioba Schöneck

Für ihr Ballett hat sich Vita als musikalische Basis Nikolai Rimski-Korsakows Sinfonische Suite Scheherazade von 1888 und Fazil Says Violinkonzert 1001 Nights in a Harem op. 25 von 2008 ausgesucht. Beide Werke faszinieren durch ihre Stimmungen, hervorgerufen durch exotische Tonleitern, orientalische Instrumentierung, fremd anmutende Klänge und Farben. Das Philharmonische Orchester Würzburg beschwört unter der ruhigen Leitung von Sebastian Beckedorf diese satte Schwüle und samtige Verführung. Lediglich zu Beginn gerät das etwas durcheinander. Dafür begeistert die Solovioline von Franz Peter Fischer durch schwelgerische Tongebung und melodischen Schmelz, lockt geradezu intuitiv die Zuschauer in einen Harem.

Dort verkörpert der groß gewachsene Mihael Belilov mit Sprungkraft und weiten Bewegungen sehr überzeugend einen Sultan zwischen Gewalttätigkeit, Misstrauen und sexuellem Begehren. Als seine Gemahlin begeistert Camilla Matteucci restlos vor allem durch ihre Leichtigkeit und Geschmeidigkeit; wie sie anmutig fast enthemmt und biegsam wie eine Schlange mit dem muskulösen, kraftvollen, sprungstarken Sklaven Leonam Santos im gewagten, überraschenden Pas de deux tanzt, ist ein Höhepunkt des Abends. Natürlich bildet Kaori Morito als Scheherazade in ihrem weißglitzernden Anzug und ihrer eleganten, sanft schwebenden tänzerischen Ausdrucksweise das Zentrum der bewegten Erzählung. In kleineren Rollen gefallen der Wesir, Felipe Soares Cavalcante, Sindbad, Aleksey Zagorullo, und das ganze Ensemble in geschickt aufgebauten Formationen. Witzig erscheint das Haschen nach den Lichtkreisen, den Monden oder Gestirnen. Lediglich im zweiten Teil lässt die Spannung etwas nach; da hat sich das Auge schon an die schönen Tanz-Bilder gewöhnt.  

Das Premierenpublikum im ausverkauften Haus ist völlig hingerissen von diesem exotischen Handlungsballett und feiert minutenlang mit begeisterten standing ovations alle Mitwirkenden, vor allem die Choreografin.

Renate Freyeisen