Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links          Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

ELEKTRA
(Richard Strauss)
17. Mai 2015
(Premiere am 27. Oktober 1997)

Bayerische Staatsoper München,
Nationaltheater München


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Geometrie der Rache

Eine wahrhaft große Adaption erkennt man an den Änderungen gegenüber dem Original. Hofmannsthals Bearbeitung des Elektra-Stoffs ist ein moderner, mutiger und spannender Umgang mit Sophokles‘ Tragödie. Er verdichtet den Rachestoff auf die omnipräsente Titelrolle, bricht die Bösewichtin Klytämnestra zur ambivalenten Bittstellerin und tilgt den eingehenden Optimismus durch den gestrichenen Orest-Auftritt. Dabei bleibt die Fluch-Tragödie bestehen, der Familienhass intensiv und das bitterböse Ende eindrücklich erhalten.

Zurückhaltend und mit einer Verbeugung vor der Textdichtung hat sich einst Herbert Wernicke Strauss‘ Vertonung angenommen. Dabei inszeniert er nicht gegen den musikalischen Bombast an, sondern ergibt sich ihm. Szenischer Minimalismus nach antikem Muster findet in dem dichten Werk statt. Elektra kauert meist auf einer hölzernen Schrägfläche an der Rampe. Isoliert, aus dem Palast verbannt, allein. Die Bühne ein Quadrat, durch eine geschickte Kippfläche komplett verriegelbar und selten durch deine Drehbewegung wirft der Zuschauer einen Blick in einen Lichtraum mit Treppe. Eine weitere Leiter dringt aus der Außenwelt der Proszeniumsloge, durch die der Exilant Orest auf die enge Spielfläche dringt. Wernicke zeichnet für Bühne, Ausstattung und Licht verantwortlich, das noch vor James Turrell und seinen atemberaubenden Installationen die Suggestionskraft einer gut ausgeleuchteten, geometrischen Figur aufzeigt. Gerade zwei Requisiten reichen bei der spielerischen Programmstatik: Elektra reckt das bleiche Beil und zunächst Klytämnestra, später die verhassten Erben wickeln sich in einen viel bespielten Herrschermantel, der vom Bühnenvorhang kopiert, aus dem Portal geschnitten scheint. Tanz und Interaktion sind getilgt. Blicke regieren, kleine Gesten finden statt. Ruhe kehrt ein. Das verlangt Geduld, doch die Kraft von Thema und Musik lösen die Spannung ein.

Auch die allesamt starken Kräfte. Nicht erst seit seinem Salzburger Ochs in der Wagner-/Straussschen Form seines Lebens tönt schwer und nuanciert der tragende Bass von Günther Groissböck als Orest. Musikalisch wie inszenatorisch naiv konturiert, überzeugt mit ausreichender Kraft und verlangtem Verve Ricarda Merbeth als Chrysothemis. Waltraud Meier kennt und führt ihren Sopran als alternde Monarchin geschickt, wird vom Pult unterstützt und zeigt eine erfahrene, kluge Sängerleistung mit Einschränkungen. Voll ins Dramatische dagegen geht Iréne Theorin in der Titelrolle: Die Spitzen sind da, doch nicht überakzentuiert, die Läufe gelingen und die Kraft reicht für diesen fordernden Hauptfigurenakt. Ulrich Reß als Aegisth ist eine inszenatorische Aussage.

Spannend und stark ist die neue Allzweckwaffe des Hauses im Graben. Zwischen Mozart, Donizetti und Verdi haben es Asher Fisch als Chefrächer die dunklen Stoffe nach La Forza angetan. Die vielschichtige, teils chaotische Partitur weiß er zu ordnen, die Kommunikation mit seinen Sängern gelingt ebenso wie der sehr moderne, filmische suspense, den die große Besetzung samt Kriminologen am Pult grandios in Szene setzen.

Das strausskundige Publikum applaudiert mit vielen Bravos ausgesprochen lang und löst Wernickes Wette auf ein zurückgenommenes, Hofmannsthal wie Strauss und Sophokles verpflichtetes Konzept deutlich ein.

Andreas M. Bräu

 

Fotos: Wilfried Hösl