WOZZECK
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Dosenspiele, blutig
Musikalisch und s�ngerisch ist das der intensivste "Wozzeck", den ich
je sah; das schlie�t Met und Staatsoper ein, wo Hildegard Behrens, bzw.
die gro�e Waltraud Meier sangen: Die �beraus, verwundbare, gerade im Umgang
mit ihrem Jungen hochambivalente und bei aller Gest�rtheit doch leidenschaftliche
Marie der ihrer Rolle wieder einmal erschreckend nahen Gun-Brit Barkmins
reicht - ich hatte den (im St�cksinn) tragischen Eindruck: fast m�helos
- daran heran.
Die anderen sind kaum minder pr�sent, etwa strahlend-fies Andreas Conrad
(Hauptmann) und in seiner Gem�tlosigkeit fast zu sch�n, also pervers intonierend
Carsten Sabrowski (Doktor). Dazu ein verst�rter, vollkommen hilfloser
Wozzeck (Hannu Niemel�), dem man das sich zu allem anderen Elend addierende
Elend wegen der Untreue seiner Frau von Anfang an abnimmt. Dabei ist Ehebruch
eigentlich ein Thema, das in der aufgekl�rten Moderne eher l�cheln l�sst.
Doch �berhaupt f�hrt die gestalterisch identifizierende Pr�senz der S�nger
dazu, dass auch die politische Kritik nicht abstrakt bleibt, sondern sich
individuell aufl�dt.
Ganz gewiss ist das eine Leistung der Regie. Das Ergebnis ist ganz konsequent
eine ungew�hnlich blutige Inszenzierung, die nicht nur B�chner im Herzen
beh�lt, sondern mir �berhaupt f�r die politisch engagierte Tradition des
Hauses zu stehen scheint. Nun kann man dar�ber streiten, ob die Verlegung
der Handlung in eine Dosenfabrik opportun ist, funktionieren tut sie.
Dabei kritisiert sie postmarxistisch ein "System", dass es so ja
kaum mehr gibt, jedenfalls nicht in der "Ersten" Welt, in der das St�ck
aber spielt: Oben die Ausbeuter, unten die Ausgebeuteten, und die Ausbeuter
pr�geln auch schon mal wen zusammen... aus Geh�ssigkeit, nicht etwa, weil
es ihren Interessen entspricht. Dann r�cken die Kumpels zusammen und sehen
Fernsehen, dem in Richard Jones' Inszenierung eine der tragenden Rollen
zukommt, und zwar zu Recht. Es leimt die Bruchstellen aneinander und f�gt
Jones' ein wenig �berkommene, weil systemisch naive Gesellschaftskritik
in die Gegenwart, macht sie gleichsam wieder modern. Dann hat eben nicht
der Major, der hier einen der Chefs gibt, sondern das Fernsehen Marie
zum Ehebruch verf�hrt. Freilich wird das Fernsehprogramm wiederum von
solchen wie dem Major bestimmt...
All das ist schl�ssig, ist mehr als das, die Inszenierung, das Ensemble,
die sehr enge, ikeahaft glatte, jeden Widerstand absorbierende Holzb�hne
Paul Steinbergs, die an B�roausstattungen der 60er (West) erinnert, das
unter Manfred Honeck derart engagiert musizierende Orchester, dass seine
sehr gelegentlichen Verspieler wie Funken wirken, die aus einem Gro�brand
herausschnellen. �berhaupt ist hier Angst vor dem Pathos nicht angesagt.
Im Gegenteil: Es verb�rgt sich f�r Humanit�t.
Aber weshalb? WESHALB?! musste Jones das letzte Bild derart intentional
vergeigen? Es reicht v�llig hin, wenn der nun in mehrfacher Hinsicht zur�ckgebliebene
Junge sein "Hopphopp" repetierend singt, das ist thematisch und szenisch
sowieso schon ein Hospitalismus... weshalb ihn also noch den L�ffel seines
Vaters auspacken und die gleiche Bohnenpampe l�ffeln lassen? Das ist �rgerlich
und verstimmt die ganze so beklemmend gl�nzende, beunruhigende Arbeit
innerhalb zweier hinterhersymbolisierender Minuten... - aber Schwamm dr�ber.
Es w�re mehr als ungerecht, den Patzer �ber die trauernde, tobend herzenge
Sch�nheit zu stellen,die uns in diesen anderthalb Stunden vor Ohren f�hrt,
wie tragf�hig Neue Musik gewesen ist....und was wir derzeit dabei sind,
als Ausdrucksmitteln zu verlieren. (anh)
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