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WOZZECK
(Alban Berg)
6. Juni 2004


Komische Oper Berlin






Dosenspiele, blutig

Musikalisch und s�ngerisch ist das der intensivste "Wozzeck", den ich je sah; das schlie�t Met und Staatsoper ein, wo Hildegard Behrens, bzw. die gro�e Waltraud Meier sangen: Die �beraus, verwundbare, gerade im Umgang mit ihrem Jungen hochambivalente und bei aller Gest�rtheit doch leidenschaftliche Marie der ihrer Rolle wieder einmal erschreckend nahen Gun-Brit Barkmins reicht - ich hatte den (im St�cksinn) tragischen Eindruck: fast m�helos - daran heran.

Die anderen sind kaum minder pr�sent, etwa strahlend-fies Andreas Conrad (Hauptmann) und in seiner Gem�tlosigkeit fast zu sch�n, also pervers intonierend Carsten Sabrowski (Doktor). Dazu ein verst�rter, vollkommen hilfloser Wozzeck (Hannu Niemel�), dem man das sich zu allem anderen Elend addierende Elend wegen der Untreue seiner Frau von Anfang an abnimmt. Dabei ist Ehebruch eigentlich ein Thema, das in der aufgekl�rten Moderne eher l�cheln l�sst. Doch �berhaupt f�hrt die gestalterisch identifizierende Pr�senz der S�nger dazu, dass auch die politische Kritik nicht abstrakt bleibt, sondern sich individuell aufl�dt.

Ganz gewiss ist das eine Leistung der Regie. Das Ergebnis ist ganz konsequent eine ungew�hnlich blutige Inszenzierung, die nicht nur B�chner im Herzen beh�lt, sondern mir �berhaupt f�r die politisch engagierte Tradition des Hauses zu stehen scheint. Nun kann man dar�ber streiten, ob die Verlegung der Handlung in eine Dosenfabrik opportun ist, funktionieren tut sie. Dabei kritisiert sie postmarxistisch ein "System", dass es so ja kaum mehr gibt, jedenfalls nicht in der "Ersten" Welt, in der das St�ck aber spielt: Oben die Ausbeuter, unten die Ausgebeuteten, und die Ausbeuter pr�geln auch schon mal wen zusammen... aus Geh�ssigkeit, nicht etwa, weil es ihren Interessen entspricht. Dann r�cken die Kumpels zusammen und sehen Fernsehen, dem in Richard Jones' Inszenierung eine der tragenden Rollen zukommt, und zwar zu Recht. Es leimt die Bruchstellen aneinander und f�gt Jones' ein wenig �berkommene, weil systemisch naive Gesellschaftskritik in die Gegenwart, macht sie gleichsam wieder modern. Dann hat eben nicht der Major, der hier einen der Chefs gibt, sondern das Fernsehen Marie zum Ehebruch verf�hrt. Freilich wird das Fernsehprogramm wiederum von solchen wie dem Major bestimmt...

All das ist schl�ssig, ist mehr als das, die Inszenierung, das Ensemble, die sehr enge, ikeahaft glatte, jeden Widerstand absorbierende Holzb�hne Paul Steinbergs, die an B�roausstattungen der 60er (West) erinnert, das unter Manfred Honeck derart engagiert musizierende Orchester, dass seine sehr gelegentlichen Verspieler wie Funken wirken, die aus einem Gro�brand herausschnellen. �berhaupt ist hier Angst vor dem Pathos nicht angesagt. Im Gegenteil: Es verb�rgt sich f�r Humanit�t.

Aber weshalb? WESHALB?! musste Jones das letzte Bild derart intentional vergeigen? Es reicht v�llig hin, wenn der nun in mehrfacher Hinsicht zur�ckgebliebene Junge sein "Hopphopp" repetierend singt, das ist thematisch und szenisch sowieso schon ein Hospitalismus... weshalb ihn also noch den L�ffel seines Vaters auspacken und die gleiche Bohnenpampe l�ffeln lassen? Das ist �rgerlich und verstimmt die ganze so beklemmend gl�nzende, beunruhigende Arbeit innerhalb zweier hinterhersymbolisierender Minuten... - aber Schwamm dr�ber.

Es w�re mehr als ungerecht, den Patzer �ber die trauernde, tobend herzenge Sch�nheit zu stellen,die uns in diesen anderthalb Stunden vor Ohren f�hrt, wie tragf�hig Neue Musik gewesen ist....und was wir derzeit dabei sind, als Ausdrucksmitteln zu verlieren. (anh)

 

POINTS OF HONOR

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