Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto (ähnlich der Aufführung) © Anja Beutler

Aktuelle Aufführungen

Spaß, Staunen und Sinnieren

3: THE GARDEN
(Nicole Beutler)

Besuch am
3. September 2016
(Einmalige Aufführung)

 

Internationale Tanzmesse NRW,
Stahhlwerk

Die Besucher der Tanzmesse, die am letzten Abend zur Spielstätte im Stahlwerk pilgern, staunen nicht schlecht. Wummernde Techno-Beats dröhnen ihnen entgegen. Aber die Türsteher winken die jungen Leute mit den Schildern um den Hals gelassen durch. Die scheinen Bescheid zu wissen, also wird es seine Richtigkeit haben, sich in den sehr gut besuchten Innenhof zu begeben, der sich unter dem Namen Treibgut seit 2009 in den Sommermonaten einen guten Ruf als „Open-air-Party-Location“ erworben hat.

Der Hof gehört zur ehemaligen Lehrwerkstatt der Mannesmannröhren-Werke im Stadtteil Lierenfeld. Seit 1994 heißt der Gebäude-Komplex Stahlwerk und wurde zunächst als Großraum-Diskothek bekannt. Heute finden dort auch Konzerte, Theater und Comedy statt. Die Karnevalsveranstaltungen im Stahlwerk sind stets ausverkauft.

POINTS OF HONOR
Musik
Tanz
Choreografie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Und im Sommer gibt es eben Techno-Partys. Daran hat natürlich niemand gedacht. Aber die Treibgut-Veranstalter versichern, dass mit der Lautstärke um neun Uhr abends Schluss sei. Was selbstredend nicht funktioniert. Da hilft die rheinische Gelassenheit, zumal sich herausstellt, dass die Hallenmauern den Außenlärm so gut wie gar nicht hereinlassen. Mit der „üblichen“ viertelstündigen Verspätung kann also die letzte Aufführung der Tanzmesse in diesem Jahr beginnen.

Foto (ähnlich der Aufführung) © Anja Beutler

Auf der Bühne ist ein weißer Teppich ausgelegt, um den herum künstliche Blumen auf Stativen aufgehängt sind. Während ein Erzähler darüber sinniert, was vor uns war und wie dieses Nichts ausgesehen haben könnte, ob vielleicht doch etwa Blau oder Violett, obwohl es ja dann eigentlich kein Nichts mehr sein könnte und so weiter, treten die Tänzerinnen und Tänzer hinzu. Choreografin Nicole Beutler möchte unsere Beziehungen und diesen merkwürdigen Wunsch „zurück zur Natur“ untersuchen. Was würden Menschen in einem „Garten Eden“ veranstalten? Ihre sechs Tänzerinnen und Tänzer, vier Männer, zwei Frauen, zeigen artistisch-fantasievoll, wie Menschen sich in einem solchen Garten benehmen könnten. Dabei hilft die Symmetrie als ästhetisches Leitkonzept.

Die freiwillige Aufgabe der Kleidung, der Verlust jeden Halts wird von Minna Tiikkainen in überwiegend weißes Licht gesetzt und von Suze May Sho als Bühnen- und Kostümbildnerin schon mal im Theaternebel ertränkt. Im Verlauf der Garten-Geschehnisse werden die Blumenständer zu Mikrofonstativen, wenn die Tänzer ein Lied der Einstürzenden Neubauten zum Besten geben und mit Gitarre und Harmonika live unterstützt werden. Ansonsten kommen die Klänge, die Gary Shepherd produziert hat, vom Band.

Mehr und mehr lösen die Zusammenhänge sich auf. Die Körperbemalung als ästhetisches Mittel verfehlt in der gewählten Beleuchtung ihre Wirkung komplett. Schließlich bleiben wankende, menschliche Blumenbilder unter der Überschrift, dass wir uns bewegen müssen. Starke Bilder, die nach einer Stunde im Dunkel untergehen, aber im Gehirn des Betrachters haften bleiben. Selbst die „Sofortklatscher“, die das Abblenden sonst nicht erwarten können, brauchen nach diesen Eindrücken ein paar Sekunden länger als üblich, ehe sie loslegen. Dafür ist der Applaus dann umso nachdrücklicher.

Anschließend geht es für die verbliebenen Besucher der Tanzmesse noch einmal zurück ins Tanzhaus NRW, wo der Ausklang gefeiert wird und auch Zeit für ein kleines Resümee bleibt. Felix Wittek, Leiter der Tanzmesse, ist insgesamt zufrieden. Selbstkritisch sieht er die Punkte, bei denen es – gerade im organisatorischen Bereich – durchaus Verbesserungspotenzial gibt. Aber seinem „großartigen Team“ sei es gelungen, die Strahlkraft der Tanzmesse noch einmal deutlich zu erhöhen. Dafür spricht auch das gelöste, entspannte Klima während der gesamten Zeit, obwohl es sicher keinen Teilnehmer gab, dem die Programmvielfalt keine Anstrengungen abverlangte. Bei dem Angebot an ökonomischen Möglichkeiten wie künstlerischen Impulsen hat hier niemand Urlaub gemacht. Für Wittek ist nach dem Spiel vor dem Spiel. Jetzt gelte es, sagt er abschließend, die kommenden zwei Jahre zu nutzen, die positiven Erfahrungen einer Messe in der Landeshauptstadt Düsseldorf in anderen Ländern zu kommunizieren, um 2018 die ganze Welt zu Gast zu haben. Schön war es dieses Jahr auch schon mal mit 56 Ländern.

Michael S. Zerban