Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
ROTKÄPPCHEN
UND DER AUFSCHNEIDER
(Heribert Feckler)
Besuch am
4. September 2016
(Premiere am 3. September 2016)
Es ist verdienstvoll, wenn das Aalto Theater seine reichhaltigen Angebote für das Kinder- und Jugendtheater sorgfältig in Programme für Vorschul-, Grundschul- und ältere Kinder einteilt. Für die ganz Kleinen von drei bis sechs Jahren startete man jetzt im Theaterzelt im Foyer des Hauses mit einer pfiffigen Bearbeitung des bekannten Rotkäppchen-Märchens. Rotkäppchen und der Aufschneider nennt die Autorin Marie-Helen Joël, die zugleich die große Partie der Hexe Kleinlaut spielt, das einstündige Stück, zu dem Heribert Feckler wiederum eine abwechslungsreiche Musikfolge zusammengestellt hat.
Hexe Kleinlaut hat das Problem zu lösen, einen Jäger für ihr Märchen zu finden. Der ist als Urlaubsvertretung bereits im „Bösen Wolf und den sieben Geißlein“ eingesetzt und fühlt sich ohnehin schon mehr als urlaubsreif. Die Darstellung des Märchens verläuft also nicht ohne witzige Komplikationen und Stockungen. Mit denen spielt Marie-Helen Joël auch geschickt, ja geradezu so virtuos, dass man von einer gelungenen Parodie sprechen kann. Und die sorgt für entsprechende Heiterkeit. Allerdings mehr bei den Eltern als bei den Kleinen, die mit den vielen Unterbrechungen, Rollenwechseln und Anspielungen überfordert werden. Bereits die doppeldeutige Ironie des Titels, Rotkäppchen und der Aufschneider, birgt Verständnisschwierigkeiten. In der Darstellung bemüht man sich zwar, den Jäger als großspurigen Aufschneider und als Aufschneider des Wolfbauchs zu präsentieren. Prägend wird aber seine Rolle als Metzger des Wolfs, wenn so viel von „Bauch aufschneiden“ und „töten“ die Rede ist. Die ironischen Spitzen kommen bei so kleinen Kindern nicht an.
Musik | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Gesang | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Regie | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Bühne | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Publikum | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Chat-Faktor | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Verwirrend auch, dass die drei Darsteller, neben Marie-Helen Joël noch Christina Clark als Crizzy und Matthias Koziorowski als Jäger ständig die Rollen wechseln. Jeder nimmt quasi jede Partie ein, letztlich sogar der Jäger die des Wolfs. Da muss man schon als Erwachsener Augen und Ohren spitzen, um den Irrungen und Wirrungen folgen zu können. Anspielungen auf Rotkäppchen-Sekt kommen bei den Großen gut an, die Kinder haben wenig davon. Sich mit den Figuren identifizieren oder in die Illusion der Märchenwelt eintauchen zu können: Diese Möglichkeit bleibt den Kindern weitgehend verwehrt.
Das heißt nicht, dass die Produktion ganz an den Belangen der Kinder vorbeischrammt. Man bemüht sich, sie so viel wie möglich in das Geschehen einzubinden. Sie dürfen zu munteren Klängen in den Wald marschieren, mit Karate-Übungen dem Wolf Paroli bieten und am Ende haben sie sogar Gelegenheit, sich mit den Darstellern auf der putzig dekorierten Bühne fotografieren zu lassen. Und an Einwürfen der Kinder mangelt es auch nicht. „Meine Mama kann auch zaubern“, muss sich Hexe Kleinlaut von einer selbstbewussten jungen Dame sagen lassen.
Wenn die Kinder bei Laune gehalten werden, reichen musikalisch ein Klavier und einige fetzige Lieder. Heribert Feckler stellte ein Potpourri aus bekannten Volksliedern, eigenen Kompositionen und Raps zusammen, das die Stimmung anheizt. Ein paar instrumentale Farben schadeten freilich nicht.
Langweilig wird den Kindern trotz mancher Verständnisbarrieren nicht. Und das ist schließlich die Hauptsache. Gleichwohl ist zu überlegen, ob man nicht gerade den Jüngsten etwas mehr vom Zauber des Illusionstheaters vermittelt.
Pedro Obiera