Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
EIN BERLINER KONZERT
(Dorothee Oberlinger)
Besuch am
18. September 2016
(Einmalige Aufführung)
Der Sommer verabschiedet sich in diesen Tagen. Am Sonntagnachmittag fällt das Thermometer bereits unter 19 Grad. Da ist es schön, sich die Zeit bis zum Tatort mit einem Konzert zu vertreiben. Der Westdeutsche Rundfunk weiß die Lösung und lädt zu einer Aufführung in den Großen Sendesaal im Funkhaus am Wallrafplatz, dem heutigen Klaus-von-Bismarck-Saal. Der Saal bietet 650 Besuchern Platz. Hier wurde seit seiner Inbetriebnahme 1951 Rundfunk-Geschichte geschrieben. Und bis heute finden in dem zeitlos schönen Saal etwa 200 Konzerte jährlich statt.
Dorothee Oberlinger hat mit ihrem virtuosen Spiel, so darf man wohl mit Fug und Recht behaupten, die Blockflöte aus Kinderzimmern, Grund- und Musikschulen wieder auf die große Konzertbühne geholt. In Köln stellt sie das Programm eines Albums vor, das im kommenden Jahr erscheinen wird. Und auch dieses Mal überrascht sie wieder mit einer ungewöhnlichen Recherche. Bevor die Blockflöte im 19. Jahrhundert in ihren Dornröschenschlaf verschwand, erlebte sie in Berlin noch eine letzte, große Blütezeit. In die entführt Oberlinger mit ihrem Ensemble 1700 die Besucher zu einem Berliner Konzert.
Musik | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Gesang | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Regie | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Bühne | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Publikum | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Chat-Faktor | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Zugegeben, bei dem einen oder anderen Komponisten muss ein einzelner Besuch in Berlin herhalten, um ihn in den Reigen des Programms aufnehmen zu lassen. Aber das ist berechtigt der Dramaturgie geschuldet. Und die hat es in sich. Nach A Ground von Gottfried Finger für Blockflöte und Basso continuo geht es gleich in die Vollen. Ob das nachfolgende Concerto doppio in c-moll wirklich dem 17-jährigen Georg Friedrich Händel zugeschrieben werden darf, mögen Musikwissenschaftler unter sich ausmachen. Noch reiht sich die Blockflöte eher gleichberechtigt in das Geschehen ein. Wer weiß, dass Oberlinger rund 100 Blockflöte um sich versammelt hat, mag verwundert sein, dass sie sich hier auf drei oder vier beschränkt, die sich im Klang kaum voneinander unterscheiden. Das ändert sich auch bei dem nachfolgenden Blockflötensolo von Johann Joachim Quantz und der Sonate e-moll von Carl Emanuel Bach wenig.
Einen ersten Höhepunkt erlebt das Publikum – am Cembalo. Florian Birsak ist nicht nur an der Orgel zuhause, sondern begeistert vor allem mit seinem Solo Variationen auf die Folies d’Espagne d-moll. Hier zeigt er die ganze Vielfalt des Instruments in Geschwindigkeit und Variationstiefe. Da dürfte mancher Jazz-Improvisateur blass vor Neid werden.
Wunderbar transparent spielt das Ensemble 1700 auch die Stücke von Johann Gottlieb Janitsch, Christoph Schaffrath oder Ernst Gottlieb Baron in immer wieder wechselnden Besetzungen, wobei sich vor allem Axel Wolf an der Laute eindrucksvoll hervortut. Später sorgt Alfredo Bernardino mit seiner Oboe für Freude.
Steht nach dem ersten Teil eigentlich das Urteil mit „großartig“ schon fest, geht es in der zweiten Hälfte erst richtig zur Sache. Nach einem eher kurzen Blockflötensolo von Quantz „rockt“ Oberlinger mit Johann Christoph Schultzes Concerto Nr. 2 B-Dur den Saal. Da tritt sie mit atemberaubenden Läufen aus dem Ensemble heraus. Auch Makiko Kurabayashi bekommt Gelegenheit, die eigentlichen Fähigkeiten des Fagotts zu zeigen. Und man gerät ins Staunen.
Bei den Zugaben stehen Johann Gottlieb Graun mit einem Satz aus seinem Doppelkonzert und der schon bekannte Händel-Satz auf dem Programm. Gelegenheit für Bernardini, sich den einen oder anderen Spaß zu gönnen. Gut gelaunt applaudiert das Publikum nachhaltig. Bis zum Album wird es noch ein wenig dauern, da müssen die Besucher jetzt durch. Aber in den nächsten Monaten wird das Programm in WDR 3 übertragen. Das sollte sich wirklich keiner entgehen lassen.
Michael S. Zerban