Kulturmagazin mit Charakter
Buch
Willi Kollo, der von 1904 bis 1988 lebte, ist bekannt als Autor von Operettentexten für die Werke seines Vaters, dem Komponisten Walter Kollo, und danach von eigenen Kabarett-Revuen, die riesigen Erfolg – Ende der 1920-er bis in die 30-er Jahre – vorwiegend in Berlin hatten. Später schrieb Kollo auch Drehbücher und mehr als 200 Filmmusiken. Etliche Hits der 30-er und 40-er Jahre wie Das war sein Milljöh, Nachts ging das Telephon, Ein ganzer Tag mit dir allein und Das Lied vom Leierkastenmann tragen seine Unterschrift. Er galt zu Recht als Allround-Talent der leichten Muse.
Der kürzlich erschienene Gedichtband Jahreszeiten meines Lebens – Ein Lachen klingt, ein Lächeln schweigt enthält 103 bisher unveröffentlichte Gedichte aus dem Zeitraum von 1916 bis 1988. Er gilt als Ergänzung der bereits veröffentlichten Erinnerungen Willi Kollo – Als ich jung war in Berlin. Das 129 Seiten starke Büchlein beinhaltet eine chronologische Auflistung der Werke, inklusive der wichtigsten musikalischen Titel.
Bereits 1916 begreift der gerade zwölfjährige Willi das große Leiden, das der Erste Weltkrieg verursacht, und fängt an, seine Gefühle in Worte zu bringen:
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Ich weiss, unsere Augen sind müde
Und unsere Herzen sind schwer.
Es klingt in dem alten Liede
Der alte Ton nicht mehr.
Das kurze Gedicht ist auch auf seinem Grabstein eingemeißelt. Als Erwachsener wird er als Autor und Produzent von pfiffigen Revuen bekannt und erzielt gehörige Erfolge damit. Seine frechen Polit-Chansons im Kabarett der Komiker mit Titeln wie Lieber kein Reich, aber glücklich brachten ihm ein Auftrittsverbot von den Nazis in allen deutschen Kabaretts bis 1945 ein. Das hielt ihn aber nicht davon ab, eigene Bühnenwerke zu schreiben, wie zum Beispiel das Lustspiel Besuch am Abend 1938 oder Es könnte dein Glück sein 1940. Auch Chanson-Texte waren dabei wie beispielsweise Auch das Glück gibt’s nur auf Karten von 1940. Willi Kollo war enorm produktiv, und sein Witz und Humor hat sich von den jeweiligen politischen Realitäten nicht unterkriegen lassen.
Aus heutiger Sicht, im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts und in einer Zeit der abstrakten Sachlichkeit, tut man sich als Leser schwer, diese romantischen, unschuldigen, von Sentiment durchwirkten Strophen zu lesen. Man muss sich immer an deren historischen Kontext erinnern, die Melancholie und Wehmut der Zeit bedenken. Wie sonst kann man diese Zeilen aus der ersten von insgesamt acht Strophen des Gedichts Dahin verstehen:
„O, denkst Du noch an jene Frühlingstage,
So selig schön und, ach, so wundersam,
In denen nie ein Wort voll bittrer Klage,
voll herben Schmerz auf unsere Lippen kam?“
Es ist gerade diese Sehnsucht nach einer heilen Welt, die sich in der Sentimentalität eines unsicheren Zeitalters widerspiegelt, die Willi Kollo einfängt. Vermutlich wurden diese Gedichte auch deshalb nicht vorher veröffentlicht, weil ihre Texte doch eine andere Seite des in der Öffentlichkeit bekannten Stückeschreibers offenlegten. Hier ein eher introvertierter Gefühlsmensch, dort ein extrovertierter, witziger Gesellschaftsbeobachter.
Dennoch wäre dieser Band als Lektüre für ein Wochenende auf dem Land erfreulich, weitab von den Tagesthemen, Talkshows und Krimis im Fernsehen, weitab von den Politstreitigkeiten und Schreckensnachrichten, die man heute täglich hört und liest.
Zenaida des Aubris