Kulturmagazin mit Charakter
DVD
Welche Rolle Webers romantische Oper Der Freischütz in der Geschichte der Semperoper spielt, beschreibt Daphne Ellis in dem recht lapidaren Booklet der neuen DVD, die CMajor veröffentlicht hat. Im Frühjahr wird die Neuinszenierung in Dresden aufgezeichnet, in der GMD Christian Thielemann am Pult steht. Axel Köhler inszeniert das Werk sehr werkgetreu und weitgehend unspektakulär, bleibt aber nicht aussagelos. In Erinnerung bleibt die Atmosphäre einer Gesellschaft, die gerade einen Krieg erlebt hat.
Arne Walther hat einen zerbombten Bühnenraum geschaffen. Er kann Dorfplatz oder Dorfsaal gleichermaßen sein, und der Wald lugt von hinten herein, um dann in der Wolfsschlucht präsenter zu sein. Es ist auch der größte Coup der Inszenierung, wie Agathes Kammer aufreißt und den Blick auf die Wolfsschlucht freigibt. Einen Teufel hört man nur, als Prinzip des Bösen werden die Gräueltaten des Krieges angeführt. Leider sind die Videos von Arne Walther und Knut Geng während des Kugelsegens nur für die Semperoper passend ausgeleuchtet. Dagegen hat Tiziano Mancini Mühe, sie vernünftig für das Heimkino einzufangen. Da muss man schon das Licht im Zimmer komplett löschen, um diese Szene einigermaßen erahnen zu können.
Ansonsten ist die Kameraführung sehr sorgfältig und fängt gerade von den Chorszenen viel ein. Köhler weiß mit der Masse viel anzufangen, beleuchtet Unsicherheiten und Vorurteile. Auch in den Kostümen von Katharina Weissenborn wird diese Gesellschaft gelungen eingefangen. Der Eremit als Veteran des Krieges und Fürst Ottokar als arroganter Kriegstreiber sind da nur zwei Gegenpole. Eine humpelnde Wirtin, die sich nach Freunden sehnt, wird von der Gesellschaft gar als Zeichen des Unglücks angesehen und mit Samiel angeredet.
Musik | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Gesang | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Regie | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Bühne | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Publikum | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Kamera | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Ton | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Chat-Faktor | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dagegen bleiben die Figuren Max, Ännchen und Agathe fast etwas unterbelichtet. Für letztere Rolle ist das problematisch, denn auch der Sängerin Sara Jakubiak fehlt in Stimme und Erscheinung einfach die passende Ausstrahlung. Sie singt die Rolle ohne Fehl und Tadel, aber auch zu emotionslos. Christina Landshammer ist ein sympathisches, wohlkingendes Ännchen, dem der letzte Feinschliff fehlt. Auch Michael König stemmt manchen Ton, aber sein Max ist eine packende Figur voller Selbstzweifel und unterdrückter Wut. Jede Phrase wird mit Leben erfüllt. Als Gegenspieler Kaspar tritt der hagere Georg Zeppenfeld in Erscheinung, der mit agilem Bass einen verzweifelt-düsteren Schurken singt. Daneben lassen Sebastian Wartig als sehr gut gesungener Kilian und Andreas Bauer als Eremit aufhorchen. Insgesamt ein würdiges Ensemble für die Semperoper.
Dagegen fällt der von Jörn Hinnerk Andresen einstudierte Sächsische Staatsopernchor Dresden nicht nur positiv auf. Denn das Mikrofon offenbart in den hohen Stimmlagen manche Schärfe, die den Klang empfindlich trübt. Ansonsten tritt die Sängerschar auch sehr souverän und spielfreudig auf.
Deutlich schöner im Klang und zudem auch sehr sicher schwelgt die Staatskapelle Dresden in den herrlichen Motiven. Christian Thielemann wirkt rein optisch etwas phlegmatisch, seine Interpretation ist es nicht. Sie lebt und atmet die Romantik, weiß das Element des Schwebens genauso einzubinden wie die wilden Kräfte der Natur. Der Applaus in Dresden fällt nicht besonders enthusiastisch aus, aber auf jeden Fall drückt sich darin Zufriedenheit aus. Ob der DVD-Besitzer ohne nennenswerte Extras glücklich sein wird, ist eine andere Sache.
Christoph Broermann