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Venus Monroe im Quatier Latin
Indes das Publikum den Saal betritt, steht zwischen dem leicht ge�ffneten
roten Vorhang ein verschlissener Sessel, dahinter folienartig bis zum
oberen B�hnenrahmen Plastik. Man nimmt Platz, und ein alter Mann, der
�ber seinen Schlafanzug einen Mantel geworfen hat, setzt sich auf den
Sessel, nachdenkend, eine Art spr�de, sich vielleicht immer wieder verlierende
Erinnerung zusammenklaubend, und er sieht in den Schnee einer Glaskugel
dabei, die er dabeihat. Als er sie sch�ttelt, beginnt es auf der B�hne
zu schneien, und der Vorhang �ffnet sich.
So hebt eine wundervolle Inszenierung an, die nicht nur deshalb so jung
wirkt, weil wenigstens die H�lfte der im Opernhaus Anwesenden Jugendliche
waren. Sondern mit vor allem Alfredo Daza (Marcello) und Klaus H�ger (Schaunard)
wird die oft allzu zuckrige Oper vermittels Leidenschaft und einem so
willk�rlichen wie trotzigen Spott, der Puccinis Librettisten auch vorgeschwebt
haben mag, deutlich ents��t. Vor allem bekommt sie ein Tempo, das L�ngen
gar nicht m�glich macht.
Ich habe auch noch niemals einen so stur-glaubw�rdigen Eifers�chtler erlebt
wie diesen Marcello, die F�uste in den Taschen und die Taschenboden hinabgepresst.
Es ist ein hochironischer Genuss, dem Spiel von Marcello und Musetta zu
lauschen, zumal sie, Musetta, auch stimmlich die unangefochtene G�ttin
dieses Abends ist und am Ende der Oper sogar noch etwas von der herben,
lebensklugen Eleganz der Feldmarschallin gewinnt, etwas hofmanntsthalsches
also; auch das sah ich noch nie.
Mary Mills' Mim� f�llt dagegen ab, aber das ist so auch ganz richtig bei
einer kr�nkelnden jungen Frau. Denn auch hier hat die Regie Linda Humes
wohltuend eingegriffen: Mim� ist nicht l�nger die lebensferne, quasi-keusche
Heilige, als die man sie so gern inszeniert, sondern durchaus selber kokett,
wenn auch ungelenk, aber den Lippenstift hat sie sehr schnell zur Hand.
Da kann man sich schon vorstellen, dass auch Rodolfos Eifersucht nicht
ganz grundlos w�re, erlaubte Mim�s Konstitution ihr amour�se Kapriolen.
Mit einem Mal wird glaubhaft, dass Mim� nach der Trennung von ihrem Geliebten
zur M�tresse eines sonst nicht weiter gestalteten "Grafen" wird. Was an
Mary Mills Mim� beeindruckt, ist das vergebliche Bem�hen, wie Musetta
aufzutrumpfen, was ihr ja schon deshalb nicht gelingen kann, weil sie
sich nicht, anders als diese hier, wie Marilyn Monroe auff�hren (und so
auch aussehen) kann, sondern eben doch nur ein Blaustrumpf ist, der Bl�mchen
auf Seidendecken stickt.
Der sehr helle, sehr samtige Tenor Miroslav Dvorskys (Rodolfo) passt zum
Herzzusammenschn�ren gut dazu, vor allem, weil die Inszenierung ihm hinwiederum
erlaubt, durchaus der puccinische Macho zu bleiben, der er ist, ohne dass
er dabei ins klebrig Sentimentale abrutschen muss. Die jugendliche Pr�senz
seiner Zimmergenossen f�rbt daf�r einfach zu sehr auf ihn ab.
Die sinnlichen, halb-szenischen, sozusagen "brechtisch epischen" B�hnenbilder
Dan Potras - man sieht die S�nger bereits vor ihrem Auftritt die jeweiligen
Szenen betreten - bleiben klugerweise dem Verismo verpflichtet und tappen
nur ein einziges Mal in die Falle des Symbolkitsches, als n�mlich im 1.
Bild hinter den Atelierw�nden �bergro�e Rosen bl�hen. Ansonsten episch-reale
Innen- und Au�enr�ume, f�r die Puristen, besonders beim 2. Bild, dar�ber
streiten k�nnten, inwieweit es gerechtfertigt ist, das Geschehen aus dem
Historismus in den sp�ten Jugendstil zu verlegen. Optisch plausibel ist
das allemal. Und nirgends gibt es inszenatorischen Staub.
Dementsprechend frisch spielt die Staatskapelle unter der Leitung des
jungen Dan Ettingers, der zur Entgegennahme des Applauses konsequenterweise
die Fliege im Orchestergraben zur�cklie� (wenn er sie denn trug); weder
der Auff�hrung, noch der Musik, noch dem Opernritual der "Vorh�nge" ging
es irgend um Schmock: Man spielte, man sang, man war da, und keiner hatte
Lust auf Getue. So dass selbst der Rapper, der mit M�tze und Halbmeter-Schlag
gekommen war und ganz vorne sa�, w�hrend der Pause nicht ging. Es gab
ja auch gar keinen Grund. Und ich dachte: Ja, so war das schon einmal,
in den sp�ten Siebzigern in Frankfurt am Main, als Berghaus und Gielen
das Ger�mpel aus den Operfenstern warfen und wir Studenten Schlange an
den beiden Kassen standen.
Derweil hat sich der alte Mann, den wir wahrscheinlich l�ngst verga�en,
an die B�hnenwand eines Altersheimes gedr�ckt und sieht uns in seiner
Kugel immer noch zu. Schlie�t dann die Augen. Und schl�ft endlich ein.
(anh)
Musik |
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Gesang |
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Regie |
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Bühne |
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Publikum |
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