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LADY MACBETH VON MZENSK
(Dmitri Schostakowitsch)
2. Dezember 2004


Komische Oper Berlin



Foto: © Mara Eggert



Shakespeare meets Ubu

Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" an der Komischen Oper Berlin Eruptiv, grell, bisweilen brachial, dann schmelzend - so intensiv spielt unter Vassily Sinaiskys Leitung das Orchester der Komischen Oper Berlin.

Und Hans Neuenfels hat das St�ck, das f�r Schostakovitsch zeitlebens ein Trauma war, weder historisierend inszeniert noch auf Biegen und Brechen "modernisiert": Es bleibt in einem poetischen, auf vielerlei Gegenwart �bertragbaren Raum. Stalin war die genialische Oper zu wenig politisch korrekt, sie entsprach nicht dem realsozialistischen Menschenbild; so lie� er sie verbieten und den Komponisten sich zeitlebens verbiegen.

Die Komische Oper hat deshalb v�llig recht, nicht auf die sp�te, ges�uberte Fassung "Katerina Ismailowa", sondern die ziemlich schmutzige erste zur�ckzugreifen, die durchaus zitathaft ist und selbst das travestite Couplet nicht scheut - von einem Popen gesungen. Da fliegen einem schon mal die Ohren weg. Sinaisky arbeitet die Ankl�nge deutlich heraus, unverkennbar fr�he Drei�iger Jahre, unverkennbar bisweilen Alfred Jarry, dann aber auch deutlich Tschaikowsky, seltener ein sp�ter Mahler-Klang. Man tobt auf der B�hne, man wird hysterisch, �ber die Psychologie fegt die Handkante hin.

Die Brutalit�t dieses Ansatzes macht die Handlung letztendlich glaubw�rdig, auch wenn das deutschsprachige Libretto hie und da den Kalauer nicht scheut. Was zu unterdr�cktem Lachen im Publikum f�hrt - ziemlich gut, weil jeder merkt (und sich deshalb beherrscht), dass es ja eigentlich um eine Trag�die geht, vielleicht sogar ein Lehrst�ck in Sachen Patriarchat. Man hat imgrunde nichts dagegen, dass die Ismailowa mordet. "Jetzt bist du mein Mann", singt sie ihren Geliebten Sergej nach dem zweiten Mord an, und die Musik untermalt das mit ergreifendem, freilich sehr kurzem Pathos.

Dem schnellen Genre-Wechsel in Szene und Partitur wird Neuenfels - diesmal ohne jede modische Anspielung wie 2003 in Neuenfels' Deutscher Oper "Idomeneo" - ausgesprochen gerecht. Vor allem mit seinem Einfall der Hexen, die an Shakespeares Macbeth gemahnen. Hier werden sie von drei halb erotischen, halb d�monischen T�nzern dargestellt (meine Begleiterin war, kann man sagen, bis in die Zehen von den Dreien erotisiert). Kurz nachdem diese Hexen - eine bedr�ckende, wirklich unheimliche Szene - blutkauend ins Publikum starren, lassen Sie sich von der Ismailowa mit je einem Geldschein bestechen, den sie sich in die Taschen stecken.... Kaum ein Bild, das so sehr vorzeichnet, was in dieser Oper strukturell passiert.

Mit Andreas Conrad hat die Inszenierung einen ausgezeichneten, so hell singenden Sinowi Ismailow, dass man seine Impotenz schon glauben mag. Der sch�ne Bass Jens Larsens gibt einen Schwiegervater, dessen Pantoffeligkeit sich ziemlich schnell als ein maskierter Sadismus erweist, der nicht nur die Ismailowa verh�hnt, sondern wahrscheinlich die Impotenz des Sohnes verschuldet hat. J�rgen M�ller, fast immer in reinem Belcanto, kriegt einen schmierigen Belami ausgezeichnet hin, der sich nicht einmal zu schade daf�r ist, der zum Tod verurteilten alten Geliebten die Str�mpfe zu nehmen, damit die neue nicht friert.

Anne Bolstad schlie�lich, schon vom Typ hysterisch-leptosom-getrieben ("Ich kann nicht schlafen", singt sie zu Anfang und dr�ckt sich die Hand zwischen die Beine), ber�hrt in ihrer Lust, endlich einmal wem zu verfallen und dann die Grenzen, alle, �bertreten zu k�nnen. Sie singt das mit identifizierender Kraft, was dem oft ins Groteske wegkippenden St�ck ausgesprochen bekommt und dar�ber hinweghilft, dass das Melos der russischen Sprache mit der unseren kaum kompatibel ist. Doch schreibt die lange, gute Tradition des Hauses den deutschen Text halt vor. Spannend. (anh)


Karten unter (030) 47 99 74 00

 

POINTS OF HONOR

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Gesang

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