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Die tragische Wahrheit des Erwachsenwerdens
Stellen wir uns vor, Turandot sei ein sp�tpubertierendes M�del, das von
jungen M�nnern, ja eigenen Begehrlichkeiten nichts wissen will, weil sie
Angst vor der (erwachsenen) Wirklichkeit hat. Dennoch wird sie schlie�lich
von einem Typen "genommen" und in den Haushalt gestellt. Hat sie dann
verloren oder gewonnen?
Das ist die Frage, die Doris D�rries Inzenierung stellt und mit der sie
die zuschauenden H�rer entl�sst. Dem Ganzen eignet etwas Tragisches, egal,
ob man den �berdimensionierten Teddy nun f�r eine gute Idee h�lt, der
auf der B�hne f�r ein M�dchenzimmer herhalten muss. Plausibel ist es allemal:
Herkunft unterste Mittelklasse, st�ndig am Abrutsch in die Pleite... da
liegt eine seelische Flucht in die heroische Abenteuerwelt der Manga-Comics
nah.
L�sst sich das nahtlos in die Oper �bertragen? Ich f�rchte: Nein. Zum
einen aus musikalischen Gr�nden. Turandot ist nicht Salome, und die vollentwickelte
Stimme einer reifen Frau steht zu der Grundidee sinnlich quer. Das macht
sich in dieser Inszenierung hartn�ckig bemerkbar, zumal am 2. Oktober,
als Sylvie Valayre wegen einer allergischen Disposition ihre Rolle "nur"
spielte und vom linken B�hnenrand aus Susan Felver sang - sehr sch�n,
doch mit gutturaler Tiefe. Es war, als legte die Musik selbst Widerspruch
ein.
Zum anderen stammen die Manga-Comics, die D�rrie in Kost�men, Bewegungen
usw. zitieren l�sst, aus Japan und nicht aus China. Turandot ist auch
nicht Butterfly, Hier verbirgt sich eine interkulturelle Naivit�t, der
etwas Kolonialistisches eignet. Spielte die Oper in Berlin oder New York
City (worauf eines der letzten B�hnenbilder hinweist), w�re wegen der
von vornherein gegebenen Distanz das Problem viel eher aufgehoben. Das
Aufeinanderlegen Chinas und Japans machte mir die Gefolgschaft bisweilen
etwas sauer. Andererseits: Es ist ja eine Fantasie... Und schlie�lich
ist es die Mischung einer modernen Edward-Hopper-Realit�t, in die das
St�ck gegen Ende �berf�hrt wird, und dem M�dchen-M�rchen mit Puccinis
fin-de-si�cle-Symbolismus, in dem die Denkbr�che erkennbar werden.
Dass Valayres Turandot eigentlich nichts anderes tut, als ruckhaft Positionen
von Ninja-K�mpferinnen einzunehmen, die in die Mangas durchaus Eingang
gefunden haben, h�lt das Problem allerdings diskutabel. Obendrein l�sst
Turandots Kost�m auch noch an den fantastischen Computer-Film "Edward
mit den Scherenh�nden" denken. Immer wieder sch�ttelt man den Kopf, manches
ist allzu deutlich Klamotte, wenigstens Gag, doch l�sst sich der Zuschauer
darauf ein, kann das unvermittelt in extrem dichte, hochsuggestive und
auch anhaltende Momente kippen, die etwas Mythisches haben. Dazu geh�rt
etwa das Ballett der Skelette, das ganz im Sinn des fin-de-si�cle-�sthetizismus
auf das erotischste mit der Grausamkeit flirtet. Die zugleich b�se wie
lockende Halluzination, ein sich-Freisprengen der Verklemmtheit, �bertr�gt
sich dann geradezu gnadenlos. Man muss nur den Willen haben, das zuzulassen
- und seien Sie sicher: Kent Naganos Dirigat hilft einem dabei.
Dass der beeindruckend singende, ja in den H�hen sogar leuchtende Calaf
(Dor�o Volont�) in dieser Inszenierung allezeit als "Kerl von der Schicht"
auftritt, der sich logischerweise in der sp�ten "Realszene" ein Bier aus
dem K�hlschrank nimmt, ist nur konsequent, und man f�hlt mit einem Mal,
wie furchtbar es f�r das M�dchen ist, sich der Wirklichkeit stellen zu
sollen, man riecht direkt schon Haarspray und Scheuerpulver. Da wird Calafs
Stimmschmelz mit einem Mal Schmalz. Und man begreift, weshalb das M�del
sich nicht "�ffnen" wollte, ja wie betrogen sie nun ist. Und dar�ber -
besondere L�ge des Vorscheins - die Sternenwelt der erleuchteten Fenster
einer aus Wolkenkratzern zusammengeballten Stadt. Das ist eine ganz zweifelsfrei
gro�e Inszenierungsidee, �ber die man in der Turandot wird immer wieder
nachdenken m�ssen.
Dennoch bleibt ein Unbehagen. Das haben Nagano und die D�rrie vielleicht
auch gesp�rt, als sie sich nicht f�r den bekannten, triumphalen (in gewissem
Sinn perversen) Alfano-Schluss der Oper entschieden, sondern Berios sehr
viel verhaltenere Komplettierung des Dritten Aktes beizogen. Allerdings
mutet es ein wenig seltsam an, pl�tzlich den Eindruck zu haben, irgendwer
im Orchester spiele Berios ber�hmte "Sinfonia" simultan.
Kent Nagano - f�r mich einer der bedeutendsten Dirigenten der Gegenwart
- treibt das Orchester zu weitem, feurig-fantastischem Spiel, das dennoch
auf keine Arabeske verzichtet. Er h�lt aber auch jeden manierierten Auswuchs
zugleich leidenschaftlich im Griff. Auch deshalb kommt das als Schreioper
ber�chtigte St�ck durchweg als musikalischer, bisweilen rauschhafter Genuss
daher - vielleicht einmal Turandots Vater beiseite, der allerdings die
ganze Zeit �ber die undankbare Aufgabe hat, den "Tod eines Handlungsreisenden"
ohne dessen Tod zu mimen.
Die "Pings" agieren mit deutlicher Spiellust und sind offenbar in ihre
bizarren Kost�me vernarrt, in denen sie mehr watscheln als gehen und die
dennoch keine Sekunde l�cherlich wirken. Und rundum ergreifend Elena Kelessidis
Li�, voll dr�ngender Sch�nheit, ja einer so stimmlichen Hingabe, dass
man sich fragt, was denn dieser Calaf unbedingt von der punkig-h�lzernen
Turandot will... aber na ja, wenn einer so tumb ist. (anh)
Musik |
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Gesang |
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Regie |
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Bühne |
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