DIE SECHSTE STUNDE
(Johan Maria Rotman)
16. Mai 2004 (Premiere)
Theater Altenburg-Gera
(Theater Altenburg)
Bestien
In Zeiten von Guantanamo und Al Ghureib, von Wolfowitz, Rumsfeld und Ms.
England gewinnt Kafkas Folterdrama "Strafkolonie" h�chste Aktualit�t. F�r
das tatkr�ftige Theater Altenburg-Gera hat Johan Maria Rotman mit dem Librettisten
Gerard Harleman eine eindringliche Oper geschaffen. Nach vier Auff�hrungen
in Gera hat das Werk Premiere in Altenburg. Johann Kresnik f�hrt Regie und
bringt extrem dichte Bilder auf die B�hne, mit Aktionen in Parkett und Rang,
mit allen Schrecknissen des Theaters der Grausamkeiten, mit Plastiks�cken,
Video-Einblendungen und Pyro-Effekten.
Das Netz von vorgegebenen Folter-Ideen (der Kommandant), fanatischer Erf�llung
(der Offizier), begierlichem Voyeurismus (der Reisende), Fortsetzung durch
die Gequ�lten selbst (der Verurteilte) f�hrt zur "Sechsten Stunde", zur
absoluten Katastrophe, die eingef�hrte "Fremde" ist Benjamins "Engel der
Geschichte", der nur Tr�mmer hinterl�sst. Das wird gestisch und szenisch
zu bedr�ngender Realit�t: "Das Leben ist kein Traum."
Constanze K�mmel und Lucia Schautz stellen den verkachelten Corpus der T�tungsmaschine
in brutale W�nde hermetischer Orte der Brutalit�t, die am Schluss krachend
eingerissen werden. Das Licht f�rdert Spannung und l�sst Unausweichliches
assoziieren (Jo Schramm), die projizierten Video-Bilder stimulieren das
Mit-Leiden im Publikum (doch bricht die Kran-Bergbau-Sequenz mit dem Prinzip
der anonym-allgegenw�rtigen Zivilisations-Bedrohung).
Johan Maria Rotman dirigiert selbst, hat mit dem hochkonzentrierten Philharmonischen
Orchester des Theaters Altenburg-Gera kompetente Partner, demonstriert die
emotionale Wirkung seiner Musik: Cluster bauen sich auf, �ffnen sich zu
ergreifenden Instrumenten-Soli, lassen melodische Passagen zu und geben
den Solisten transparente Orchester-Unterst�tzung.
Monique Kr�s, blond im schwarzen Lackleder, verleiht dem bestialischen Offizier
perverse Statur und metallische Stimme. Teruhiko Komori spielt einen zynischen
reichweiten-abh�ngigen Reporter, intoniert selbstbewusst mit voller Beherrschung
der stimmlichen Herausforderungen. Mit Christisane Mikoleit ist ein Kommandant
mit schw�rmerischer Vernichtungs-Sehnsucht zu h�ren, Bernhard H�nsch �bersetzt
die Qualen des Verurteilten in die irrlichternden T�ne der pointillistischen
Vorgaben, Gerlinde Illich gelingt es, der phantasmagorischen Figur des "Fremden"
fast innige T�ne abzugewinnen. Doch: die Textverst�ndlichkeit ist nicht
optimal (von Komori abgesehen) - �bertitel sind anzuraten!
Im gut besuchten Altenburger Theater sind die J�ngeren in der Mehrzahl:
aufmerksames Zuh�ren, die entscheidende Verz�gerung vor dem langanhaltenden
Applaus. Altenburgs Theater begeht neue Wege, �ffnet sich dem zeitgen�ssischen
Musiktheater - und findet Zustimmung bei einer neuen Generation! (frs)
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