Puppentheater als Welttheater
Das Figurentheater der Nationen FIDENA er�ffnete sein Festival im Rahmen
der RuhrTriennale mit "Schicklgruber, alias Adolf Hitler", einer Produktion
von Neville Tranters Stuffed Puppet Theatre (NL).
Es ist der 20. April 1945 und bei Wolfi, dem Geburtstagskind, sind Goebbels,
Fr�ulein Eva, G�ring sowie die sechs Goebbels-Kinder und der Tod zu Gast.
Auf der B�hne, karg gestaltet durch drei Betonplattenw�nde und geschickte
Lichtregie, entsteht sofort bedr�ckendes Bunker-Ambiente. Da kann auch die
riesige Geburtstagstorte f�r Hitler nichts mehr rausrei�en. Das Ende ist
nahe und der Tod namens Yellow scheitert zwar darin, die G�ste als schriller
Variet�-K�nstler zu unterhalten, l�sst sich aber davon die pr�chtige Party-Laune
nicht verderben.
Tranter, hier in der Doppelfunktion als Puppenspieler und zugleich als Hitlers
"Ober-Zimmerf�hrer" Heinz Linger, f�hrt seine Puppen meisterhaft. Ein wahrhaft
gruseliges Endzeit-Kabinett jammert, flucht, l�gt und trinkt sich dem Untergang
entgegen. Fr�ulein Eva, immer etwas angeschickert, fiebert dem Hochzeitstag
mit Wolfi entgegen. Mit feinem Gesp�r f�r Stimmung und Timing tr�gt sie
unterm wei�en Schleier und dem roten Rosen-Haarkranz ein schwarzes Kleid.
Mit Goebbels eint sie die Sucht nach Zigaretten, naturgem�� ein grober Versto�
gegen die Hausordnung. Der Propagandaminister hingegen richtet alle seine
Hoffnung auf eine letzte gro�e Rede, die Hitler halten soll - dann w�rde
schon alles noch irgendwie werden, ein Endsieg doch m�glich sein.
Bestechend auch die Figur des jungen Helmut Goebbels, der mit kindlicher
Ernsthaftigkeit die versprochene hei�e Schokolade einklagt - nicht ahnend,
dass sie der Giftbecher sein wird. Und mitten in diesem Wahnwitz der F�hrer,
der au�er einem Wutanfall �ber die unsensible Best�ckung seiner Torte mit
nur einer Kerze und gelegentlicher Befragung der Sternenkonstellation, nur
mehr eine lethargische Jammerfigur abgibt. Das Monster als br�llendes M�nnlein
und apathischer Irrer. Gro�artig ein letzter Party-Dialog zwischen dem Tod
"Yellow" und seinem Meistersch�ler, bevor Hitler sich die Kugel und dem
Tod gibt, was des Todes ist.
Tranters Genialit�t als Puppenspieler besteht in der Kunst, seine Figuren
karrikaturhaft zu �berformen und sie dennoch zu lebendigen, ernst zu nehmenden
Charakteren zu erwecken - selbst die schrecklichsten Figuren der Geschichte
luchsen dem Publikum Mitgef�hl ab. Seine Genialit�t als (Mit-)Autor ist
eine wahrhaft Bernhardsche: Ist es eine Kom�die? Ist es eine Trag�die? Auf
jeden Fall: Virtuoses Puppentheater, Welttheater! (cr)
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