Wahrscheinlich war
Philippe Arlauds Absicht die folgende: - getreu der im Programmheft
abgedruckten Interpretation Hans Mayers auch b�hnenbildlich
und inszenatorisch den Weg einer schatten-(seelen-?)losen
Elbin, wie sie der fin de si�cle ja liebte, in die selbstverst�ndlich
verzichtende Menschlichkeit nachzuzeichnen. Und so folgt auf
einen vor postmoderner Signalfarbe und statuarisch-bedeutungsvoller
Gestikulation nahezu unertr�glich symbolistischen Ersten Aufzug
ein lebhafter, dynamischer Zweiter, der sich allein durch
die Geschehen (und, denke ich, die beste Musik dieser Oper)
aus der �sthetizistisch-kalten Selbstweihe herausk�mpft und
an den sich ein Dritter, "menschlicher", anschlie�t, der auf
ersten Blick all die Farb- und Gestik-Stanzen mit Freiheit
verl�sst und in seinen besten Momenten dann wirklich M�rchenoper
wird.
Doch da, wo sie "Erl�sung" erz�hlt, greift sie auf eine Mischung
aus Raumschiff Enterprise und Karajan-Reklame zur�ck: Die
beiden Paare vor dem Sternenhimmel, dazu eine Musik, wie sie
melodisch schmockhafter gar nicht sein k�nnte. (Christliche)
Esoterik statt Fleischeslust. Schauder. Und standing ovations
des Publikums.
Unterm Strich gesehen, ist dem Regisseur also nichts Eigenes
eingefallen - und Christian Thielemann, eindeutiger Star des
Abends, offenbar seinerseits nicht der Mann, dem St�ck inszenatorisch
auf die Beine zu helfen. Man ist vielmehr st�ndig an Adornos
(Wagners Leitmotivik bekrittelnde) Formulierung gemahnt, man
f�hle sich st�ndig am �rmel gezupft. Gestern Abend wurde einem
dauernd dran rumgezerrt. Arlaud verdoppelt den Strauss nicht
nur, nein, er verdreifacht ihn. Weist Hans Meyer auf des Komponisten
Besorgnis hin, der Schatten m�sse zwischen Aufzug II und III
"irgendwo herrenlos herumirren", dann l�sst ihn der Regisseur
als Lichtprojektion �ber den B�hnenprospekt schwirren, und
geht es um die ungeborenen Kinder, kann man mit Dias von Embryonen
nicht nur rechnen, nein, sie werden serviert... - ein mir
erlaubtes Bild, da die Kinder bei Hofmannsthal/Strauss ja
aus den Bratfischlein singen.
Vielleicht war dieser Regisseur keine gute Wahl, weil er ganz
offenbar Farbdenker ist und da tats�chlich Kraftvolles leistet;
aber Strauss ist eben a u c h und zu Recht f�r Farben ber�hmt,
f�r Orchesterfarben, und die brauchen keine Illustration.
Postmoderne, lackgl�nzende Farbigkeit bleibt mir bei dieser
Inszenierung auch in der Erinnerung; aber einmal gab es ein
wirklich-tiefes, mythisches Gr�n: wenn im Aufzug III Sylvie
Valayre grandios-innig ihre Leidarie singt, hin- und hergerissen
von Sehnsucht und Mitleid. Alleine daf�r, nur, um dies mitzuerleben,
lohnt sich der Abend dann doch.
"Die Frau ohne Schatten" ist insgesamt ein seltsames St�ck.
Die Komposition surft von Hoher Musik unvermittelt ins melodisch
Banalste, wagt sich von allen Strauss-Opern wohl am weitesten
ins Freitonale vor, nutzt aber dauernd den Schunkel-Kitsch
als Kr�cke, als best�nde Gefahr, das Gekumpel mit dem Publikum
zu verlieren. Dazu Revuehaftes und G�nsech�re, deren Ursprung
schon bei Wagner restlos verklemmt war, halb p�dophil, halb
�bers��t: Blumenm�dchen�sthetik n�mlich. Das hat etwas altm�nnerhaft
Geiles, Verschwitztes, "zuckelig Erigiertes", schrieb ich
einmal (wenn auch in andrem Zusammenhang).
Aber die Raffinesse des Orchestersatzes "adelt" so etwas immer
wieder, gibt ihm etwas Rauschhaftes, und wirklich wird einem
das Gef�hl insistenter Klebrigkeit oft mit enormen musikalischen
Momenten entgolten, die sich das von der Haut streifen, als
tauchte aus dem Schlamm die Anima w i r k l i c h - und umfinge
einen, indes man selbst ja noch drinsteckt.
Christian Thielemann w�re auch genau der Dirigent, der einem
da hin�ber- und dort hinaushelfen k�nnte, tendierte er nicht
dazu, die innigen Momente der Oper zu zelebrieren (jedesmal,
wenn die Musik z�rtlich wird, steht er auf, indes er sonst
sitzt). Das gibt den sch�nsten Augenblicken etwas Repr�sentatives,
Gestelltes, ich m�chte sagen: gesellschaftlich Paradehaftes.
Als st�nde dem Orchester eben nicht dieser genialische Dirigent,
sondern ein Heerf�hrer vor, der das Publikum Volksgef�hl exerzieren
l�sst. So machen einem, zumal im "Deutschen Fach", die br�llenden
Bravi, die bereits zwischen den Aufz�gen tosen, ziemlich schale,
aus allerlei Bedenklichkeiten zusammenger�hrte Gef�hle. Dabei
geht man doch wirklich nicht in die Oper, um sich ein Lehrst�ck
der gesellschaftspolitischen Realit�t anzuschauen, frei nach
und Variation auf Le Bon und Ortega y Gasset. Dies aber nahm
ich, neben Arlauds Signalfarben und - einmal - der Elbin mythischem
Gr�n, von diesem Abend mit.
Dazu passt dann widerhakig gut, dass im Zweiten Aufzug aus
dem Souffleurkasten eine sozusagen dritte Hand den S�ngern
dirigierend das Metrum gab, indes Herr Thielemann am Pult
das Orchester dirigierte. Ihm konnte diese Hand nicht geh�ren,
so lange Arme hat er nicht. Doch auf einen Nebendirigenten
findet sich kein Hinweis im Besetzungszettel, was nicht nur
eine Frage mangelnden Stils ist, sondern wiederum politische
Fragen aufwirft, und alle haben sie mit Repr�sentation zu
tun. Da kann man bangend gespannt sein, wie das Gespann Arlaud/Thielemann
die n�chste Erl�sungsoper behandeln wird, die es sich vorgenommen
hat: f�r Ende Januar n�mlich Korngolds "Tote Stadt".
Die S�nger haben - das ist unter Thielemann zu erwarten, und
unter anderem daf�r huldigt man ihm ja - fast alle Weltniveau;
Thomas Mosers Kaiser schw�chelt vielleicht ein wenig in den
H�hen, daf�r k�sste er die Elbin dann r i c h t i g, jedenfalls
wirkte es so, und wer Sylvie Valayre sah, versteht den Mann
ganz gut. Auch ich h�tte nicht widerstanden, obgleich dieses
leichte Sperren, wenngleich ihre Hand ihn weiblich-kokett
von sich wegzuschieben und den �bergriff zu r�gen schien.
Er nahm ihn sogleich in eine warme, freundschaftliche Umarmung
zur�ck.
Gabriele Schnauts F�rberfrau f�llt den Saal mit Stimmstahl,
zickig, verloren, suchend, eine "Frau aus dem Osten" mit Feuer
im Bauch und unerbittlich hohen Wangenknochen; zwar, man versteht
nicht ganz, was sie gegen ihren Mann eigentlich hat... d o
c h, man versteht's: patriarchale V�ter taugen so schlecht
zum erotischen Akt, zumal wenn sie weich sind und einem das
Herz mit Mitleid r�hren.
Dass Wolfgang Sch�nes unendlich innig gesungener F�rber das
allezeit tut, auch wenn er sein Weib auf dem Markt gekauft
hat, sie also Ware f�r ihn ist, sagt wiederum etwas zur doppelmoraligen
Faktur dieser Oper. Andererseits macht einem das den gestelzten
Lack des Ersten Aufzuges ertr�glich, ja man ist dankbar dort,
wann immer der F�rber den Mund auftut... doch dass er auf
diesem Weibe w�hlen soll, dran mag man besser nicht denken.
Aber auch f�r s i e soll ja gelten: "Was ihr an Pr�fungen/standhaft
durchleidet/uns ist's zu strahlenden/Kronen geschmeidet."
Es gibt was Paralleles bei Karl May, aber davon schweig ich
hier besser.