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KOMMENTAR

Von Franz R. Stuke
9.12.2004


 
 

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OPER KONZERTANT? KEINE FRAGE!


Oper ist das "Kraftwerk der Gef�hle" (Boulez), vermittelt "Seelenkr�fte" (Mortier) nicht nur durch Gesang. Andererseits: Oper ist ein "Gesamtkunstwerk" (Wagner) und ist deshalb auch abh�ngig von Musik, Regie und B�hne sowie den Reaktionen des Publikums. Und da zeigen sich Kompetenz, Ernsthaftigkeit und Antizipation der konkreten M�glichkeiten; kontrastierend erlebbar am 27./28. November '04 in Bielefelds Oetkerhalle und im Dortmunder Konzerthaus.

Akustisch tun sich die beiden H�user wenig, wenn auch das Dortmunder Klangwunder eher krass (??) auf alle T�ne reagiert als die eher "besch�tzende" Raumkultur in Bielefeld. Doch die Opern-Unterschiede sind augenf�llig:

In Bielefeld sitzt das Orchester im Graben vor den Solisten; in Dortmund ist die konventionelle Platzierung gew�hlt: Orchester auf dem Podium, die Solisten vor dem opulenten Klangk�rper, mit wenig Kontakt zum Dirigenten.

In Dortmund wird "blind" gesungen; im Programmheft gibt es zwar eine Inhaltsangabe und eine kursorische Werkgeschichte, aber keine pr�zis-kommunkationsorientierte Auseinandersetzung mit den emotionalen Abgr�nden von Libretto und Partitur.

In Bielefeld dagegen findet sich eine sehr konzentrierte dramaturgische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Schl�ssen der "Pecheurs" In Bielefeld wird der Text unaufdringlich - lesbar auf die R�ckwand der B�hne projiziert; in Dortmund spielt der Text durch Nicht-Vorhandensein keine Rolle.

�ber diese unterschiedlichen Voraussetzungen f�r eine Opern-Pr�sentation gelangt man zu einem weiteren Faktor des Opern-Erlebens:

In Bielefeld erwarten skeptische Ostwestfalen einen Opernabend, der ihnen in einem Konzertsaal als "Ersatz" f�r das "wirkliche Theater" vorkommt; in Dortmund ist die Erwartung klar: es wird ein Spektakel geben, "die Gruberova" ist zu bestaunen, alles andere ist Beiwerk, die Reaktionen sind entsprechend.

Und alle diese kommunikativen Bedingungsfaktoren sind mehr als Rankenwerk f�r Musik und Gesang, sind sie doch existentiell-konstituierende Variable f�r das "Gesamtkunstwerk"!

In Dortmund wird durch das Orchester ein effektvoller Bravour-Reigen endloser Melodien pr�sentiert und Bellinis "Beatrice" als Show-Objekt popularisiert. Dagegen l�sst das Orchester in Bielefeld das intensive Bem�hen um eine Durchdringung der durchaus musikalisch umstrittenen Partitur des jungen Bizet h�rbar werden, vermittelt intensive Gef�hlswerte, ohne den permanent vorhandenen Ohrw�rmern zu verfallen.

Das alles hat Auswirkungen auf die Performance der Solisten:

Im Dortmunder Konzerthaus wird der Weltstar Edita Gruberova pr�sentiert; um sie herum erfahrene, talentierte, durchaus brillante Solisten, zwischen denen es jedoch zu keinen Beziehungen kommt. Das Bielefelder Ensemble tauscht sich durch rudiment�re Gesten aus, singt aufeinander zu, kommuniziert archaische Gef�hle. Und: abgesehen von der unerreichbaren Gruberova - das Bielefelder Ensemble singt auf h�herem k�nstlerischem Niveau, offensichtlich (auch) bedingt durch die ungleich intensive Auseinandersetzung mit den zu vermittelnden Emotionen und den erheblich differenzierteren �u�eren Gegebenheiten.

Das Ergebnis best�tigt den Erfolg des hart erarbeiteten Bielefelder Konzepts: W�hrend in Dortmund ein lautes Gegr�le die Erf�llung der selbstdefinierten Anspr�che feiert, ist in Bielefeld die Skepsis �berwunden: emotionale Betroffenheit findet angemessenden Ausdruck, die bewundernde Liebe zum eigenen Theater, dem �berzeugenden Ort, der eindruckvollen Orchesterleistung, und die Begl�ckung durch die bewegenden s�ngerischen Leistungen f�hren zu ansteigendem Applaus nach anf�nglicher Reflexionspause, enden in standing ovations.

Also: Oper konzertant? Das ist in der Tat keine Frage - es kommt nur darauf an, mit welcher Umsicht die Auff�hrung konzipiert, vorbereitet und realisiert wird! Schreiben Sie ihre Position zu diesem durchaus brisanten Thema an.

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