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KOMMENTAR

OPERETTE - THEORIEN UND REALE ERWARTUNGEN

von Franz R. Stuke
22.01.2004






 
 

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Es tut immer wieder gut, die analytische Qualit�t des kommunikationswissenschaftlichen Paradigmas der Trias von Kommunikator-Medium-Rezipient in praxi �berpr�fen zu k�nnen!

Der konkrete Fall: K�nnekes Operette "Der Vetter aus Dingsda" in der Musikalischen Kom�die Leipzig. Da wurde zum Beispiel in D�sseldorf und Dortmund die Operette postmodern verfremdet, die Handlung in ihren zeitbedingten Vorstellungen mit der altv�terlichen Verteilung der M�nner-Frauen-Rollen und ihrem unreflektierten Verst�ndnis von Exotik ("Batavia") kritisch hinterfragt und zur Freude vieler Zuschauer trefflich ironisiert.

Kommunikationstheoretisch formuliert: Die Kommunikatoren (Regisseur, B�hnenbilder, S�nger-Darsteller) entwickeln aktuelle Vorstellungen �ber famili�re Konflikte und deren distanziert betrachtete Problematik - dabei immer das urspr�ngliche St�ck als zu ver�nderndes Objekt im Auge sowie die anzunehmende Reaktion eines vorgestellten Publikums im Kalk�l.

Das St�ck (das Medium) stellte sich als ver�nderbares Kontrukt dar, zeitbedingt in seiner Handlungskonstellation, den vermittelten Gef�hlswerten und den zeitgen�ssischen Vorstellungen von b�hnenwirksamen Frauenrollen sowie der klassischen Konfrontation von scheinbar sicherem b�rgerlichen Umfeld und deren Bedrohung aus exotischen Welten verpflichtet. Das Publikum (die Rezipienten) fungierte als Ansammlung von Kritik orientierten, durchaus reflektierenden Individuen, die ihr aktuelles Weltbild w�hrend der Auff�hrung entweder best�tigt sehen wollten oder sich zur Auseinandersetzung mit Alternativen herausgefordert f�hlen.

Diese Analyse aus der Kommunikatorperspektive l�sst sich selbstverst�ndlich aus der Medium- bzw. der Rezipientensicht variieren, doch wird deutlich: Ausl�send f�r den Kommunikationsprozess sind die Intentionen der Kommunikatoren mit ihrem Bild vom Publikum und ihrer Sicht auf die "Nutzung" des Mediums.

So funktioniert der Prozess �ffentlicher Kommunikation - es sei denn, man f�hrt die theoretisch durchaus begr�ndbare Vorstellung ein, dass das Kommunikatorhandeln entweder durch das Medium oder durch die Rezipienten bestimmt wird. Die Leipziger K�nneke-Produktion best�tigt diesen approach in interessanter Variation: Bei den Kommunikatoren besteht offensichtlich ein Bild vom Publikum, das sich ein "originales" Werk w�nscht, nicht mir distanzierender Analyse konfrontiert werden will und ein entlastendes Erlebnis erwartet - sowie eine Vorstellung vom "Medium", das seiner historisch bedingten Eigengesetzlichkeit folgt und nicht Objekt der Verfremdung werden darf.

M�gen Theoretiker der Operette - ausgehend von Offenbachs frecher Gesellschaftskritik, der "goldenen" Wiener Epoche mit opulenten Emotionen, der "silbernen" Phase mit versteckten kritischen Aspekten und der "modernen" Operette K�nnekes oder Abrahams mit provozierenden Anachronismen - das Genre durch sein gesellschaftskritisches Potential aufwerten wollen: es gibt offenbar eine ungebrochene Sehnsucht von Teilen des Publikums nach Nostalgie und heiler Welt.

Aber auch unter musikhistorischem Aspekt: das Bed�rfnis nach eing�ngigen Melodien existiert, abseits von allen Experimenten mit Zw�lfton - oder serieller Musik. Es gibt ganz offensichtlich ein Publikum, das sich im Umfeld melodischer Schlichtheit wohlf�hlt - kulturkritische Verdammungen sind da fehl am Platze, aber die Antwort auf die Fragen nach der Weiterentwicklung von musikalischen Standards und des "Geschmacks" unvorbelasteter Zuh�rer ist sicherlich Aufgabe zeitgem��er musikalischer Unterhaltung. Daran sollte auch die Musikalische Kom�die Leipzig arbeiten.

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