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KOMMENTAR


ENTZAUBERT - Zürich zum Jahreswechsel

von Franz R. Stuke


 
 

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Man hat es erlebt, man liest, sieht und h�rt es in verschiedensten Medien: die Z�rcher Oper ist "Weltklasse" - spektakul�re Inszenierungen, Welser-M�st als Orchester-Guru, fantastische Solisten und das alles - f�r Schweizer Verh�ltnisse alles entscheidend - vor ausverkauftem Haus mit abendlich 1200 Connaisseurs in den fauteuils.

Und nun 6 mal Oper in Folge (das Programm vom 27.12. bis 6.1.): Donizetti, Rossini, Mozart, Bellini, Offenbach - kein Verdi, kein Wagner, schon gar kein "Moderner"! Und alle Inszenierungen sind "erprobt", will sagen: haben ihren Frischegrad �berschritten. Premieren gar sind f�r solche Festtage nicht vorgesehen, aktuelle Produktionen werden zeitlich verschoben.

Aber "gro�e Namen" spielen eine Rolle. Ruggero Raimondi, Laszlo Polgar, Eva Mey, Francisco Araiza (der eine chargiert, der andere brilliert, die Dritte f�llt aus, der Letzte scheitert) und ein "neuer Star" - Elena Mosuc - wird nachmittags als Lucia und als die drei Geliebten Hoffmanns "eingesetzt" (sie singt auch noch die Schweigsame Frau in Z�rich, hat in Essen als Luisa Miller Furore gemacht, gibt Konzerte, singt alles und �berall) - ein Fall f�r fachirritierendes Deb�tieren, wie man es an kleineren Entdeckungsh�usern mit Sympathie beobachtet; aber Z�rich? Dann sind in den Spielopern Rossinis, Mozarts, Donizettis Ten�re zu erleben, denen jedes stimmliche Faszinosum abgeht - und bei den Dirigenten herrscht perfekte Routine (abgesehen von dem gro�artigen Nello Santi).

Das Haus ist voll; aber nach Connaisseurs muss man suchen - das Prestige-Publikum und die allf�lligen Touristen im Programmvollzug sorgen f�r eine prickelfreie harzige Atmosph�re, der Beifall wirkt wie programmiert, durchsetzt von einer leidenschaftlichen Minderheit. Klar, im Januar und Februar wird Welser-M�st am Pult stehen, es wird Premieren und aufw�hlende Aktualit�ten geben - aber das anspruchvolle Haus leistet sich zum Jahreswechsel eine l�hmende Schnarchphase.

Die lokalen Medien nehmen von diesen "Ereignissen" keine Notiz - journalistisch putzig aber, dass prima Konzerte in der Tonhalle (mit der Tschechischen Kammerphilharmonie, dem Basler Kammerorchester mit dem exzellenten Giuliano Carmignola oder dem Carmina-Quartett) in der Z�rcher Publizistik nicht stattfinden.

Ganz offenbar ist die Z�rcher Hochkultur von Oper und Konzert Teil der "zentrifugalen Gesellschaft" der Schweiz - auch das Schauspielhaus Marthalers mit dem "Hotel Augst" im Schiffbau vermag da keine Br�cke zu schlagen.

So bleibt als nachhaltiger Eindruck - neben ganz subjektiven entt�uschten hohen Erwartungen - das Erlebnis einer Opern-Insel im Geldmarkt Z�rich; getragen von den Vorlieben einer finanzkr�ftigen Klientel, der die abendliche Selbstdarstellung wesentlicher ist als das brennende Interesse f�r humane Botschaften, k�nstlerische Wagnisse oder die Sehnsucht nach �berw�ltigenden Emotionen.

Z�rich: Eine Oper wie eine Bank - Hauptsache die Bilanz stimmt! Dennoch: Eine "kleine Weltstadt" (360 000 Einwohner) mit ungeahntem kulturellen Angebot - man muss als Besucher nur auf die Baisse vorbereitet sein, findet dann aber viele versteckte Alternativen.



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