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Die Chance, zu wachsen
Die oben genannte Aufführung habe ich nicht besucht, folglich kann ich inhaltlich kaum etwas zu der Rezension sagen. Es hat mich aber sehr gefreut, sie zu lesen. Als Sängerin an einem deutschen Theater muss ich mich im Durchschnitt einmal monatlich mit Kritiken auseinandersetzen, und nicht immer fällt mir das leicht. Selten teilt man den künstlerischen Wertmaßstab.
Allerdings ist es mir auch zu billig, das alte Argument, wie oft Kritiker persönliche Frustration etc. kompensierten, inkompetent seien, zu benutzen, eigene persönliche Eitelkeiten und Verletzungen zu überstehen. Und damit die Chance zu verspielen, etwas an sich heranzulassen, das einem durchaus die Chance öffnen würde, zu wachsen. Die Berechtigung von Musikkritiken steht außerhalb dieser Diskussion. Wir ziehen hoffentlich alle an demselben Strang des kulturellen Lebens in diesem Staat.
Jeder Regisseur hat seinen eigenen Film zu dem Thema, das das Libretto und die Partitur behandeln. Jeder Sänger fühlt sich auf eine andere Weise angesprochen vom harmonischen Verlauf. Jeder Dirigent empfindet ein Tempo unterschiedlich. Je mehr wir das auf dem Schirm haben, umso leichter fällt mir persönlich wiederum der Versuch, mich einmal einer anderen Perspektive zu stellen. Und sie leben zu lassen, auch wenn sie von einem Journalisten in der Zeitung stammt.
Habe selten eine so präzise und gleichtzeitig nicht grenzüberschreitende Kritik gelesen. Es ist nicht nur das Formulieren in der 1. Person, welches auch bei negativen Schlüssen auf der eigenen Straßenseite bleibt. Vielleicht ist es auch der respektvolle Umgang in der differenzierten und tiefen Auseinandersetzung, der einem "auf der anderen Seite" nicht sofort Schützengräben ausheben lässt. Danke dafür, das wünschte ich mir öfter.
Johanna Krumin
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