Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links          Partner von DuMont Reiseverlag  
     

NEWS 

Wagner-Ausstellung


 
 

zurück       Leserbrief

Wagner in Mannheim

Von Feuerzauber und Gralsgesang heißt eine Ausstellung der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, die in diesen Tagen beginnt und bis Mitte Februar zu sehen ist. Schon der Untertitel Emil Heckel und Richard Wagner in Mannheim und Bayreuth ist für den Laien nicht mehr so verheißungsvoll, wie es der Titel verspricht. Wenn sich der Laie da mal nicht täuscht.

Emil Heckel kann eigentlich mit seinem Leben zufrieden sein. Gemeinsam mit seinem Bruder Karl führt er in Mannheim eine Musikalienhandlung, an die auch ein Verlag und eine Notenverleihanstalt angeschlossen sind. Vater Karl-Ferdinand hat das Geschäft aufgebaut, und es floriert. Aber das ist nicht genug für einen Menschen, der seinen Namen eigentlich gern in den Geschichtsbüchern geschrieben sehen möchte. Wo das genau sein soll, weiß er auch nicht. In der Musikalienhandlung in der Kunststraße veranstaltet er Konzerte – Künstler wie Hugo Wolf sind hier zu Gast – und er mischt kräftig im Hof- und Nationaltheater Mannheim mit. Dort gibt es über fünfzig Jahre eine Besonderheit. Nicht ein einzelner, hauptamtlicher Intendant leitet die Geschicke des Theaters, sondern darum kümmern sich drei ehrenamtliche „Intendanten“. Einer davon ist, neben dem Oberbürgermeister, Musikalienhändler Heckel. Er verfügt also bereits über allerlei Einfluss auf das Kulturleben der Quadratestadt.

1871 schlägt seine Stunde. Richard Wagner veröffentlicht seine Pläne zum Bau eines Festspielhauses in Bayreuth. Der 40-jährige Heckel, bis dahin durchaus kein Freund des Komponisten, schreibt ihm sofort, ist begeistert von solchem Vorhaben. Als Wagner ihm antwortet, gründet er am 1. Juli desselben Jahres den ersten Richard-Wagner-Verein mit einem einzigen Ziel: Geld für den Hausbau einzusammeln. „Heckel hat fortan den Eifer des Konvertiten an den Tag gelegt“, erzählt Liselotte Homering. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin ist Abteilungsleiterin Theater- und Literaturgeschichte der Reiss-Engelhorn-Museen und hat die Ausstellung Von Feuerzauber und Gralsgesang kuratiert. „Eine Herzensangelegenheit“, sagt sie, auf deren Verwirklichung sie viele Jahre gewartet hat. Jetzt, im Wagner-Jahr, hat sie sie mit Hilfe des Stadtarchivs und einem ganz kleinen Budget in Szene setzen können. „Heckel war, heute würde man sagen: ein begnadeter Netzwerker und überaus begabter Kaufmann“, berichtet die Kuratorin.

Zwischen den beiden Männern entwickelt sich so etwas wie eine Freundschaft. Davon kündet unter anderem ein nahezu vollständig erhaltener Briefwechsel. Denn der Kaufmann hat nicht nur die Briefe Wagners aufbewahrt, sondern auch die eigenen vor Versand abgeschrieben. Während Heckel seinem höflich-freundschaftlichen Tonfall treu blieb, „zeugen Wagners Briefe von überschwänglicher Dankbarkeit“, weiß Homering.

Ein halbes Jahrhundert im Stadtarchiv

Davon können sich nun die Besucher der Ausstellung selbst überzeugen. Nach fünfzig Jahren gewährt sie einen Einblick in den umfangreichen Nachlass Emil Heckels. Über 622 Objekte, die seit 1965 im Stadtarchiv verwahrt wurden, werden jetzt der Öffentlichkeit präsentiert. Der Nachlass enthält mit dem Briefwechsel zwischen Heckel und Wagner zu den Vorarbeiten des Bayreuther Festspielunternehmens nach Museumsangaben den vollständigsten Komplex im Bereich der Richard-Wagner-Forschung neben den Briefwechseln zwischen dem Komponisten und König Ludwig II sowie Wagner und Franz Liszt. Lange hatte man im Stadtarchiv darüber diskutiert, wie man mit diesem Nachlass am sinnvollsten umgehen solle. Auch eine vollständige Digitalisierung war im Gespräch und wurde Anfang dieses Jahres verwirklicht. Zunächst aber verfasste Anja Gillen ein Buch über den Bestand, das nun begleitend zur Ausstellung angeboten wird. Einen recht stolzen Preis für den schmalen Band rechtfertigt Homering mit einer großen Anzahl an hochwertigen Abbildungen.

Wagner-Hochburg

Die Kuratorin beließ es für die Ausstellung aber nicht bei dem Nachlass, sondern nutzte ihr eigenes Netzwerk, um für weitere Schmuckstücke zu sorgen. So gab Siegfried Wagner 1927 bei Burkard Steingraeber ein Gralsglockenklavier in Auftrag, mit dem die vier Glockentöne bei Parsifal intoniert werden konnten. Später wurde das Instrument an die Staatsoper Stuttgart ausgeliehen. Und dort landete es schließlich auf dem Sperrmüll. Wie es von da wieder in die Werkstätten Steingraebers kam, ist nicht ganz klar. Heute ist es aber komplett restauriert – und steht in Mannheim im Museum.

Zahlreiche weitere Leihgaben unterstreichen den Anspruch der Stadt, Wagner-Hochburg zu sein. Unter anderem wird der 1975 von Hans-Jürgen Syberberg erstellte Film in voller Länge zu sehen sein, in dem Winifred Wagner sich in einer Weise äußert, die bis heute für Grusel und Gänsehaut im übelsten Sinne sorgt.

„Es sind die Originale, die wirken“, beschreibt Liselotte Homering die suggestive Wirkung der Ausstellung. Beschriftungen wird man bei den Exponaten vergeblich suchen. Aufgrund der Empfindlichkeit der Ausstellungsgegenstände ist helles Licht nicht angebracht. Und so bekommen die Besucherinnen und Besucher mit der Eintrittskarte zu einem unglaublich niedrigen Preis auch gleich noch ein Handout, in dem sie die notwendigen Erläuterungen finden.

Wenn in diesen Tagen die Ausstellung ihre Pforten öffnet, für die Kuratorin die Arbeit also eigentlich erledigt ist, gehen Homerings Gedanken längst weiter. „Wichtig ist wirklich, dass die Heckel-Korrespondenz kommentiert herausgegeben wird“, schaut sie über den Tag hinaus. Dabei betont sie, dass sie keine Wagnerianerin sei, „aber gerade deshalb muss die Auseinandersetzung um Wagner permanent weitergehen“. Dass Emil Heckel als Revisor für Bayreuth, als überzeugter Wagnerianer in Mannheim und letztlich als Freund Wagners längst Bedeutung erworben hat, heißt noch nicht, dass er seinen endgültigen Platz in der Geschichtsschreibung gefunden hat, so lange die kommentierte Ausgabe seiner Korrespondenz fehlt. Liselotte Homering kokettiert mit dem Gedanken, sich nach ihrer Pensionierung dem Thema zu widmen. Aber bis dahin vergehen noch zu viele Jahre.

Michael S. Zerban, 27.9.2013

 


Die Freundschaft zwischen Emil Heckel
und Richard Wagner ist Gegenstand
der Ausstellung in Mannheim.


Familie Heckel ist eine Größe im Mannheimer Kulturleben. Nach Emil Heckel ist eine Straße in der Stadt benannt.


Neben dem vermutlich vollständigen Briefwechsel zwischen Heckel und Wagner gibt es allerlei Leihgaben zu bestaunen.


Auch die Götterdämmerung spielt in
Heckels Leben eine besondere Rolle.


Mit diesem Gebäude begann Heckels
Engagement für Richard Wagner: Das
Bayreuther Festspielhaus, 1876 vom
Bahnhofsvorplatz aus gesehen.

Fotos: Reiss-Engelhorn-Museen TMS