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Theater als zeitloser Spiegel
Mit Friedenstag bringt das Pfalztheater Kaiserslautern eine eher selten gespielte Oper von Richard Strauss auf die Bühne. Der Einakter setzt sich mit Gehorsam in Zeiten des Krieges auseinander und ist damit nicht nur ein Stück Geschichte und Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, sondern schafft auch einen direkten Bezug zur Gegenwart. Urs Häberli, Intendant, nimmt Stellung zur Funktion von Theater heute.
Wir widmen uns europäischen Themen ganz unterschiedlicher Natur“ sagt Urs Häberli, Intendant des Pfalztheaters Kaiserslautern. Dies könne man bereits am Spielplanmotto im Pfalztheater Kaiserslautern ablesen: Spiel-Plan-Europa-Plan-Spiel. „Das Motto dient als Aufhänger für die Ausgrabung verschiedenster Stücke, die sich eben um europäische Themen drehen“, erklärt er weiter. Ausgangspunkt hierfür war auch das Thema des Gedenkjahres 2014, als zentrales Thema für ganz Europa: Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 findet sein Gedenken in fast jeder kulturellen Einrichtung. So auch im Pfalztheater, doch hier blickt man nicht nur auf dieses historische Ereignis, sondern stellt sich zudem Fragen, die Europa betreffen. Im Musiktheater werden zwei Stücke eine Klammer bilden, die diese Fragen umfassen: Den ersten Bogen der Klammer wird das Pfalztheater am Samstag, 27. September, mit der Oper Friedenstag und den Metamorphosen von Richard Strauss spannen. Den zweiten Bogen mit Beethovens Fidelio im Juni. „In beiden Opern dreht es sich nicht zentral um die letzten 100 Jahre, aber auch um das Thema der Freiheit im weitesten Sinne“, erklärt Häberli. Beide Stücke sind keineswegs auf Europa gedacht, ebenso wenig auf die letzten 100 Jahre. Auf die Frage, ob die Stücke dennoch dem Zuschauer etwas an Warnungen und Zukunftsvisionen, die aus den letzten 100 Jahren Geschichte erwachsen sind, liefern können, antwortet der Intendant: „Ich glaube, Theater darf nicht unbedingt eine Zukunftsvision darstellen, sondern es sollte einen Spiegel als solches bilden.“
Als solch einen Spiegel will man in Kaiserslautern auch den Friedenstag angehen, eben keine Zukunftsvision, aber auch kein Stück über den zweiten Weltkrieg. „Obwohl die beiden Kompositionen, die am Samstagabend aufgeführt, in dieser Kombination uraufgeführt werden, das hergeben würden. Friedenstag als ein Stück, das unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg entstand und die 1945 komponierten Metamorphosen von Richard Strauss, die sozusagen den Schreckensblick auf das zerstörte München widerspiegeln; da geht der Blick schon auf ein historisches Ereignis.“
Doch obwohl der Blick auf düstere, geschichtliche Ereignisse zu fallen droht, geht Regisseurin Kerstin Maria Pöhler ihre Inszenierung ganz anders an. Es wird keine SS-Uniformen auf der Bühne geben, keine direkte Verbindung zum Zweiten Weltkrieg: „Wir sind eher in einem Bild verfangen, was die Gräueltaten des Krieges als solche spiegelt und was diese mit den Menschen machen. Dort schafft Pöhler eine Reflektion, die einen zeitlosen Spiegel auf uns Menschen und auf die Geschehnisse aktueller und historischer Art richten wird. Es zeigt Menschen, die emotional und persönlich sehr getroffen sind und sich durch Kriegsereignisse verändern. Es prägt einen Menschen bereits, wenn er mit einem Kommandanten in der Zisterne sitzt und eine Festung bewachen muss“, beschreibt Urs Häberli die Arbeit der Regisseurin. „Sie belichtet das Thema und versucht über eine eigene Theatersprache und nicht über extrem deutliche Bildsprache hinaus, sich dem Stoff ein Stück weit zu nähern.“
Szenisches Mitdenken gehört dazu
Nichtsdestotrotz sind sowohl Friedenstag als auch die Metamorphosen Strauss‘ mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs konnotiert. Dass der Zuschauer in der Inszenierung keine Aufbereitung dieser Zeit erleben wird, kann Häberli mit seinem Zutrauen in den Zuschauer zurückweisen. „Ich glaube, der Zuschauer ist klug genug, um eine Parallele ziehen zu können, oder Bilder, die er sieht, zu vervollständigen. Ich traue dem Zuschauer sehr viel szenisches Mitdenken zu.“
Mit Friedenstag geht das Pfalztheater Kaiserslautern einen einsamen, aber auch mutigen Weg, gespielt wird das Stück von Strauss selten. Musikalisch bezeichnet Häberli dieses Werk als „einen wunderbaren Strauss“: „Ich bin ein großer Fan einer Elektra oder anderer Werke von Richard Strauss, aber ich bin überglücklich, dass wir uns für den Friedenstag entschieden haben. Weil er eine große Berechtigung hat, aufgeführt zu werden.“
Trotz Gedenkjahr sieht Urs Häberli den Auftrag auch für diese Spielzeit analog zu jeder Spielzeit: Den Zuschauer mit einem entsprechenden Motto zu konfrontieren und so dem Spielplan ein Bild zu verschaffen, an dem der Zuschauer sehen kann, was man sich mit der Thematik vornimmt. Der Unterhaltungswert darf dabei allerdings nicht zu kurz kommen: „Ein Spielplan muss eine Bandbreite widerspiegeln, in der sich jeder Zuschauer findet.“
Stefanie Braun, 26.9.2014
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