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Botschafter für Südafrika
Ihren Nachwuchs findet sie in den Kirchen und Townships der Nachbarschaft. So schafft die Cape Town Opera einen ganz eigenen Klang von Chor und Oper. Michael Williams ist der Managing Director der Oper und begreift seine Institution als Botschafter für Südafrika. Immer häufiger sind die schwarzen Stimmen auch in Europa zu hören.
Die Aufführungen der Cape Town Opera (CTO) in Wiesbaden 2013 mit Porgy and Bess und in München 2014 mit der Mandela Trilogy dürften den Besuchern in guter Erinnerung sein, erlebten sie doch afrikanisches Temperament und die besondere Qualität schwarz-afrikanischer Stimmen mit großer Intensität. Seitdem 2000 Michael Williams zunächst als General Manager, dann als Managing Director die CTO leitet, ist ihr internationales Engagement ständig gewachsen, ist die CTO auf internationalem Kurs. Am 11. Juli feierte sie gleich vier Aufführungen in vier europäischen Städten: mit Show Boat ist sie in Birmingham/England unterwegs, Porgy and Bess kommt in Barcelona auf die Bühne, das Spirit of Unity Concert erklingt in Llangollen, Wales, und die Kölner können sich während des Kölner Sommerfestivals über den Auftritt des mehrfach prämierten Chores der Cape Town Opera, African Angels, freuen. Und sie werden überrascht, „den kristallklaren Sopranstimmen, den samtig-dunklen Altistinnen, den vibrierenden Tenören und den sonoren Baritonsängern live zu lauschen. Das hat eine andere Qualität. Gänsehaut“. Seit Albert Horne den Chor leitet, hat dieses Ensemble zahlreiche Preise gesammelt und große internationale Auftritte gefeiert, darunter ein Konzert im Dezember 2013 mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle.
Worin liegt das Geheimnis dieser African Angels und ihres besonderen Chorklanges? Es ist der „bewunderungswürdige, variationsreiche und aufregende Klang“ dieses Chores, darin ist sich die Jury des International Opera Award einig, die 2013 den CTO-Chor als „Chorus of the Year“ auszeichnet. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr, er hat konkrete Ursachen. Seine weichen, voluminösen und emotional überwältigenden Stimmen findet der Chor im Umland von Cape Town, dem Western Cape. In den lebendigen Kirchengemeinden Südafrikas treffen sich diese naturbegabten Sängerinnen und Sänger zu Kirchenchören, die mit ihrer fröhlich-bewegenden Musik einen wesentlichen Teil der Gottesdienste gestalten. In engen Kontakten mit diesen Kirchenchören gelingt es der CTO, besonders gute Stimmen zu entdecken und sie in ihr Förderprogramm aufzunehmen, das sie schließlich zum Opernchor führt. Auch mehr als zehn Musikschulen allein in Cape Town schicken ihre Talente: junge, unverbrauchte Stimmen mit sehr natürlich-emotionaler Ausdruckskraft und einem immer wieder überraschenden Stimmvolumen. Sie können die Ausbildung ihres musikalischen Talentes an der University of Cape Town Opera School fortsetzen. Dort erhalten sie eine klassische Gesangsausbildung. Bis heute haben die African Angels keine Nachwuchssorgen.
Über die eigentlichen Aufgaben hinaus
Daneben führt die CTO ein umfangreiches outreach program durch. Sie reist mit ihren Aufführungen durchs Land und bedient nicht nur die attraktiven Städte, sondern besucht bewusst auch die townships, um die schwarze Bevölkerung zu erreichen und sie für Theater und Musik zu gewinnen. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit ist eine gezielte Jugendarbeit, eine „ meaningful arts education for young people“, um junge Leute an Kunst heranzuführen, die Theaterschwelle überwinden zu helfen und nach Nachwuchs Ausschau zu halten. Schließlich geht es ihr darum, Theater und Musik als Werkzeuge „for social and historical education“ zu nutzen. Bei der großen Bedeutung, die Musik und Rhythmus im Alltag vieler Afrikaner spielen, ist dies zwar ein hoch gestecktes, aber keineswegs unrealistisches Ziel.
Wer diesen Chor oder die CTO erlebt, sieht sich überzeugenden Botschaftern afrikanischer Kultur gegenüber, die bemerkenswert und voller Kraft die bunte rainbow nation repräsentieren. In den Bereichen der Künste scheint sich heute, 18 Jahre nach der neuen Verfassung und der Befreiung von der Apartheid noch am ehesten ein Alltag zu verwirklichen, in dem die Rassenschranken verschwinden. Davon zeugen nicht nur weitere Bühneninitiativen wie etwa die von Schwarzen betriebene Amazink-Show in der Township Kayamandi – was in bitterer Ironie so viel heißt wie „home sweet home” – in Stellenbosch, sondern auch so schräge, richtig verrückte Initiativen wie im House on fire im benachbarten Swaziland, das jährlich in einem panafrikanischen Kunstzentrum afrikanische Künstler unterschiedlicher Nationen zum Bushfire, einem wilden I nternationalen Musik- und Kunstfestival zusammen ruft.
Die Budgets wackeln auch in Südafrika
Südafrikas Kulturszene in Kapstadt und Johannisburg ist längst international konkurrenzfähig. Doch auch diese Leuchttürme, darunter führend die CTO, haben Finanzsorgen und kämpfen gegen Etatkürzungen. So mussten bereits die kleineren Operntruppen in Pretoria, Durban und Bloemfontein deutliche Kürzungen hinnehmen, in einem Schwellenland wie Südafrika ist der Kampf um das öffentliche Geld brutal. Die CTO und ihr Chor können sich im Moment noch auf eine große Unterstützung durch den National Lottery Trust Fund verlassen, der mehr zuschießt als die Provinzregierung, die Stadt und einige private Spender zusammen. Aber diese Zuschüsse müssen immer wieder neu verhandelt werden – kein sicheres Fundament. Und es ist ein hartes Musikerleben, wenn man auftreten muss „for your supper“.
Die internationalen Erfolge der African Angels und ihr wachsendes Renommee sind eine wesentliche Stütze für die Existenz dieses bemerkenswerten Opernhauses in einem erwachenden Kontinent.
Horst Dichanz, 30.8.2014
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