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Stimmen gegen Aids


 
 

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Nur Gewinner beim Fest der Stimmen

Gala-Abende mit Arien-Potpourri gibt es mittlerweile zuhauf. Nicht selten bleiben sie in der Qualität durchschnittlich. Dass es mit einem klugen Konzept auch anders geht, zeigt die vierte Operngala zu Gunsten der Aidsstiftung im Opernhaus Düsseldorf. Ein beschwingt und aufmerksam dirigierender GMD und hervorragende Stimmen machen den Abend zu einem musikalischen Hochgenuss mit sozialem Mehrwert.

Am Anfang steht wie immer die Rede. Hier hört man oft die gleiche Botschaft in anderer Verpackung. Anders nun bei der vierten festlichen Operngala zu Gunsten der Aidsstiftung. In einer kurzen, aber sehr bewegenden und persönlichen Ansprache berichtet Rita Süssmuth, Ehrenvorsitzende der Deutschen Aids-Stiftung, wie schwierig der politische Kampf gegen Aids in der Anfangszeit 1987/88 gewesen ist. Dass sich letztendlich der Kurs durchgesetzt hat, die Krankheit und nicht die Kranken zu bekämpfen, sei ein langer Weg gewesen, erzählt sie aus ihrer politischen Zeit, und das verdanke man vielen Freiwilligen und sozial Engagierten, die sich für den Kampf gegen Aids eingesetzt haben. Bei dieser Aids-Gala kann es also nur Gewinner geben, fasst sie zusammen: Das Publikum engagiert sich mit seiner Anwesenheit und den finanziellen Ausgaben und bekommt dafür hochkarätigen Gesang von Solisten geboten, die auf ihrer Gage verzichten.

Durch und durch überzeugend war dieses Mal das Konzept, mit dem die Sänger für die Aids-Gala ausgesucht wurden. Anstatt auf berühmte, altgediente Sängerinnen und Sänger zu setzen, die dann kurzfristig abspringen, engagiert die Oper junge Stars, die offensichtlich große Freude haben, bei diesem Konzert mitzuwirken. Die musikalische Qualität ist an diesem Abend so hoch, dass selbst die Zugabe, das berühmte Libiamo aus Verdis Traviata aus einem Guss klingt. Man kann sich kaum entscheiden, welcher Stimme man lieber zuhören möchte. Dienstältester Sänger auf dem Parkett ist Lado Ataneli. Sein Escamillo ist ohne Zweifel ein selbstbewusster Platzhirsch, um den Begriff vom unterhaltsamen Moderator Holger Wemhoff, im übrigen Leben Chefmoderator bei Klassik Radio, aufzugreifen. Doch fehlt es Atanelis Couplet etwas an Rhythmik und spanischer Eleganz – auch wenn ihm Maria Kataeva, Luiza Fatyol und Annika Kaschenz herrlich assistieren. Mario Cassi tritt zuerst als Mozarts Conte Almaviva mit aristokratischer Noblesse auf, um dann den Rollentausch zum Rossini-Figaro vorzunehmen. Letzteres Stück serviert der zu Späßen aufgelegte Bariton mit spritzigem Parlando und dem überlegenen Auftritt eines Faktotums. Komplettiert wird das Bariton-Terzett durch Dmitri Vargin, der seine durchgebildete, klangschöne Stimme in der Arie des Jeletsky hören lässt.

Wie oft kommt es vor, dass man zwei Tenöre mit wunderschönem Timbre voller Schmelz gleichzeitig zu hören bekommt? An diesem Abend hat man das Glück: Auf der einen Seite ist da Jean-Francois Borras, der Delibes‘ Gerald jene träumerische Legato-Linie gibt, die seine Arie so schön macht. Später wickelt er noch die gesamte Damen-Welt um den Finger, wenn er voller Inbrunst Dein ist mein ganzes Herz singt. Auf der anderen Seite überzeugt auch Atalla Ayan: Sein Rodolfo verströmt in jeder Note Poesie, seine Höhe vereint Kraft und Eleganz. Wen man nun besser findet, das ist in dieser Qualität nur mehr reine Geschmackssache. Das gleiche gilt für die beiden Mezzo-Sopranistinnen. Einen Hauch mehr Bravour vermittelt Alissa Kolosova, als die etwas kühler wirkende Anna Stéphany. Doch beide entpuppen sich als hochgradig versierte Rossini-Künstlerinnen. Die Kolosova singt den Arsace aus Semiramide mit deutlich schwankenden Gefühlslagen bei gleichbleibender Stimmbeherrschung, und die Stéphany überzeugt bei der Arie der Elena aus La donna del lago mit rhythmischer Raffinesse und kluger Gestaltung.

Wahre Begeisterungsstürme lösen drei optisch wie akustisch hinreißende Sopranistinnen beim Publikum aus. Die preisgekrönte, blutjunge Pretty Yende feuert als Rossinis verliebte Adele ein sensationelles Koloraturfeuerwerk der Sonderklasse in der Stratosphäre ihrer Stimme ab. Das einzige Duett des Abends liefert sich Sonya Yoncheva, die Operalia-Gewinnerin von 2010, mit Tenor Borras. Bei der großen Szene aus dem Liebestrank Prendi per me sei libro hat der Zuschauer sofort das Gefühl, Teil einer italienischen Romanze zu sein. Später schmettert Yoncheva noch einen begeisternden Csárdás aus der Fledermaus. Last but not least ist Olga Peretyatko in Körpersprache, Mimik und Verzierungen eine grandiose und umwerfend komische Puppe Olympia.

Eine solche durchweg hohe vokale Qualität erlebt man bei diesen Gala-Abenden nicht alle Tage. Ein wahres Fest der Stimmen also, das zudem noch hervorragend begleitet wird durch die Duisburger Philharmoniker. Nach der düster ausgeloteten Ouvertüre zu La forza del destino ist die Rezitativ-Begleitung von Mozarts Figaro nicht ganz so sicher. Doch dann gelingt ihnen nahtlos der Wechsel durch die verschiedenen Stile und Genres. Nur ein paar Schönheitsfehler erlauben sie sich, ansonsten begeistern sie mit einem wunderbar ausformuliertem Klang. Alex Kober am Pult ist ein kommunikationsbewusster Dirigent. Kontinuierlich hat er den Blick über die Schulter zum Solisten, ohne sein Orchester zur reinen Staffage verkommen zu lassen. Und in jedem Takt sieht man ihm an, wie viel Spaß er an diesem Abend hat.

Der Großteil im Publikum wird durch diese Freude angesteckt. Man feiert, lacht und staunt mit. Nur ein kleiner Teil hält sich vornehm und mit sauertöpfischem Gesicht zurück. Die stillgelegte Mimik könnte am Botox liegen, das vorsichtige Berühren der Handflächen, wo andere sich die Hände wundklatschen, drückt eher Arroganz aus. Der Applaus, von Beginn an mehr als nur freundlich, steigert sich immer weiter, das Libiamo muss sogar zweimal gesungen werden. Das Publikum darf sich also wirklich als Gewinner bezeichnen. Und dank dessen Freigebigkeit die Aids-Stiftung natürlich auch: Denn der Erlös bis zum Beginn der Veranstaltung betrug bereits 145.000 Euro - diese Summe wird sich wohl noch durch nachträgliche Spenden deutlich erhöhen. So muss ein Gewinner-Abend aussehen.

Christoph Broermann, 17.3.2013

 


Olga Peretyatko begeistert das
Publikum mit einer umwerfend
komischen Puppe Olympia.


Pretty Yende feuert ein sensationelles
Koloratur-Feuerwerk ab.


Für Sängerinnen und Sänger, wie hier
Anna Stéphany, aber auch für die
Duisburger Philharmoniker ist die
Veranstaltung in erster Linie ein
Riesenspaß.


GMD Axel Kober begeistert das
Publikum mit Verve und Umsicht.


Am Ende sind die Gäste
hochzufrieden. Das freut vor allem
Intendant Christoph Meyer, der nun
an die Aids-Stiftung eine satte
Summe überweisen darf.

Fotos: Paul Esser