

Forum für Theaterkommunikation an der Ruhr-Uni Bochum
Christian Stratmann
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Christian Stratmann: Shakespeare
in der Bronx des Reviers
Wenn jemand ein Seminar an der Universit�t Bochum, das sich mit dem Strukturwandel
im Ruhrgebiet am Beispiel von Museen und Theater auseinander setzt, mit
folgendem Witz einleitet: "Ein Mann sitzt in seinem Garten in dem Gelsenkirchener
Stadtteil Schalke, als eine Biene angeflogen kommt, um Bl�tenstaub zu
sammeln. Sacht der Schalker: Mit dat Trikot kommste mir aber nich in den
Garten", dann wei� man, wof�r sein Herz schl�gt: f�rs Ruhrgebiet n�mlich
und die eingenwillige Kultur der Ruhrgebietler.
Christian Stratmann ist dieser jemand. Bekannt, glaubt man seinen
Worten, als der Bruder von Dr. Ludger Stratmann, mit dem er im Essener
Europahaus ein �u�erst erfolgreiches Kabarett aufbaute; "f�r die Freunde
des eiskalten Humors, der spitzen Zunge, der schwarzen Seele und der b�sen
Gedanken", das seit neun Jahren ausverkauft ist.
Verw�hnt von diesem Erfolg und mit dem Interesse "ein Volkstheater im
Revier aufe Beine" zu stellen, "wat sozusagen mit Herz die Reviermarotten
vor ein Spiegel h�lt", und das als "eine feste oder sogar stabile B�hne",
machte sich Christian Stratmann auf die Suche nach einem geeigneten Spielort
im Revier.
Drei Jahre lang verhandelte er mit der Stadt Gelsenkirchen bis sich heraus
kristallisierte, dass seine Vorstellungen von einem "Gelsenkirchener Barocktheater"
nicht zu finanzieren sind. Desillusioniert nahm er sich ein paar Wochen
Urlaub und w�hrend er noch �ber die vertane M�h sinnierte, erreichte ihn
auf Mallorca ein Anruf der Stadt Wanne-Eickel. Der st�dtische Saalbau
war frei und die Stadt war von seiner Idee begeistert. Christian Stratmann
zun�chst jedoch nicht: "Wanne Eickel, die Bronx des Reviers, eine Stadt,
die jeder kennt, aber niemand wei� wo sie liegt, weil jeder froh ist,
dort nicht wohnen zu m�ssen".
Auf der anderen Seite lie� sich aus dem vermeintlichen Standortnachteil
ein -vorteil bilden. Wanne-Eickel ist bundesweit als das "tiefste" Ruhrgebiet
bekannt. Und der alte Schlager "Der Mond von Wanne-Eickel", wies in eine
Richtung, wie aus einem negativen Klischee ein erfolgreiches Alleinstellungsmerkmal
konstituiert werden k�nnte. Dar�ber hinaus hei�t es ja: "Die Stufen aus
dem Keller f�hren nur nach oben". Argumente, die daf�r sprachen, die Idee
vom "Mondpalast in Wanne-Eickel" weiter zu entwickeln und s�mtliches verf�gbares
Eigenkapital, statt in die lebenslange Rente in dieses Projekt zu stecken.
Am 28. Januar 2004 ging der Vorhang dann auf, "und zwar zum ersten, waschechten
und einzichsten Volkstheater vom Pott". Sigi Domke, Freunden der Ruhrgebietsb�hnen
bekannt durch die St�cke "Ruhrrevue", "Herbert Knebels Affentheater" und
"Freunde der italienischen Oper", zeichnet als Autor verantwortlich. Regie
f�hrt Thomas Rech. Auch kein Unbekannter. Das Bochumer Zimmertheater "Ecce
Homo" und die Rolle als "Jedermann" in der Com�die Bochum geh�ren zu seinen
Stationen. Zusammen mit dem zw�lfk�pfigen Ensemble, der "Spitzentruppe
vom Mondpalast", produzierten
sie, frei nach William Shakespeare, ein St�ck "zweier Herzen zwischen
Borussia Dortmund und Schalke 04, zwischen zwei Kneipen, zwei bekloppten
Wirten mit Sippe und bekloppten G�sten": Ronaldo und Julia.
�ber 10.000 Menschen, von Gro� Zichte bis M�nchen, lie�en sich nach Stratmann
von diesem Revierderby bislang begeistern. Mindestens 40.000 G�ste sollen
es bis zum Jahresende werden. Daf�r r�hrt der Theatermacher die Werbetrommel.
Rund 30.000 Euro monatlich verschlingt zur Zeit der Werbeetat. Investitionen,
die sich nach Stratmann lohnen. F�r das erste komische Theater im Revier,
das den "Homo ruhriensis" darstellt, wie er ist. Frei nach Shakespeare.
06.05.2004
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