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Fakten zur Aufführung 

ALCINA
(Georg Friedrich Händel)
6. März 2004 (Premiere)

Komische Oper Berlin

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Am Ende rauchen alle hektisch vor Gl�ck

Diese Oper geh�rt, scheint mir, ihres melodischen Reichtums wie der dramatischen M�glichkeiten wegen, die sie birgt, zu den fruchtbarsten aus H�ndels italienischem Fach. Das Ensemble der Komischen Oper Berlin sch�pfte denn auch aus dem Vollen und gab eine spritzige, behende, dabei durchaus (darf man das noch sagen?: gesellschafts-)kritische Auff�hrung, die sich allenfalls gelegentlich h�tte Gags sparen k�nnen; andererseits ist ja nie ganz heraus, wo etwas schon Witz, wo erst Bl�delei ist: Man kann sich vor Amusement auf die Schenkel schlagen und trotzdem falsch liegen.

David Alden inszeniert das St�ck als ein Traumspiel mit nur anfangs klappernden Anleihen an Pirandello, dessen �sthetik die Modernit�t barocker Entw�rfe unterstreicht: Die Frage, was real, was imagin�r sei, hat sp�testens mit der Cybertechnologie heftigste Virulenz gewonnen; "realistische" Konzepte wirken dagegen gesellschaftlich blass und papieren. Dazu kommt gerade in dieser Interpretation ein enorm schneller Umschwung von Burleske in Tragik, von ironischer Distanz in empathischster Innerlichkeit - und das mitunter in einer einzigen Figur w�hrend ein und derselben Arie. Am kunstvollsten und ergeifendsten gelang dies wohl Brigitte Geller in ihrer fast woll�stig ambivalenten Verk�rperung der Morgana. Aber auch Geraldine Mc Greevy lebte aus dieser Spannung von Intrigieren und wirklich lieben Wollen. Wobei die Bitterkeit, die ihrer Alcina zugewiesen wird, sich �ber das Schicksal der "Geretteten" noch einmal verdoppelt: Alden l�sst daran keinen Zweifel, "umsonst, umsonst ist alles". Da steht man dann am Schluss in der Reihenhaussiedlung und raucht mit hektischen Z�gen.

Dagegen die Traumwelt Alcinas. Man kann diese Oper auch als eine Venusberg-Geschichte lesen, und Alden dreht sie um. Was H�ndels lustbetonte Musik auch durchaus herausfordert, was sie so gegenw�rtig macht, hingegen einem Wagners Entsagungsideologie dergleichen Lebensbejahung interpretatorisch wegklemmen will.

Kinosessel, Variet�b�hne, ein zum Gorilla vercircter Liebhaber, ein von der B�hne umgekehrt herabh�ngendes Nashorn in Orignalgr��e, Platzanweiserinnen, die sich in eine Marlene Dietrich verwandeln, Abhorchger�te und solche zum Verpassen von Elektroschocks - alles prall und farbig, mit Anleihen an Cabarets und Musikclips ("Phil Collins", fl�sterte mein Nachbar mir ins Ohr), au�erdem vermittels Bananen gestillte Affenbabies... der Abend ist mit Anspielungen, Zynismen, B�hnenbildideen vollgestopft und mit - Liebe.

Geraldine McGrevy, die sehr kurzfristig f�r die erkrankte Hauptdarstellerin einsprang und ihre Arien auf Italienisch, die Rezitative hingegen deutsch sang, brachte ein wirkliches Meisterinnenst�ck zuwege, auch wenn ich mir manchmal etwas mehr hexisches Feuer gew�nscht h�tte. Rundweg umwerfend Brigitte Gellers mal herrlich laszive, mal resolut-verh�rmte Morgana und als Bradamante eine Ewa Wolak, die immer dann richtig in Fahrt kam, wenn sie sich auszog (was bei einer "falschen Hosenrolle" ziemlich sinnvoll und deshalb nicht peinlich ist, vielmehr entsteht so Komik). Allerdings sang Annette Markert ihren Ruggiero zwar wundersch�n, doch blieb seltsam unzeitgem�� ein Oktavian an der Rolle h�ngen: Es ist harmonisch einfach zu sp�rbar, dass die Partie einen Counter verlangt.

Unter Paul McCreesh spielte das Orchester der Komischen Oper lustvoll einig und unbek�mmert-virtuos kurze drei Stunden hindurch f�r einen Abend, der sich all jenen widmen wollte, die sich nicht langweilen m�chten. Die anderen buhten. Weshalb jene Bravi riefen. Woraufhin die anderen wieder, nun lauter, buhten. Lebendig also auch das. (anh)


Karten unter (030) 47 99 74 00






Fotos: © Monika Rittershaus