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Fakten zur Aufführung 

COSI FAN TUTTE
(Wolfgang A. Mozart)
20. November 2005 (Premiere)

Komische Oper Berlin

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Anche voi fate così!

Peter Konwitschny hat ein Händchen für die Integration: Das Publikum jubelt ihm noch dann zu, wenn ihm imgrunde vors Schienbein getreten wurde... sanft getreten, wir geben es zu; getreten aber doch. Deutlich legt seine Neuinszenierung es auf einen Spiegel an, den die Guckkastenbühne hier abgibt: So nennt sie das Publikum auch schon mal „Schweine“ – auf einem der Textschilder, die zur Ouvertüre den Vorhang bespielen... und Worte wie „MännerInnen“ stellen pfiffig die political correctnesse wieder her, die sie zugleich mit sich brechen.

Das hat – wie vieles an dieser Inszenierung – Witz; sogar die insbesondere im ersten Akt aufkommenden Längen sind witzig, weil sie die Publikumserwartung, der dann halt vors Bein getreten werden wird, so erfüllen. Dass mit dergleichen zu rechnen sein werde, zeigt schon das synkretistische ausgestatte erste Bild: Die fotografierte Kulisse ist eine Art französisches Café, darin die beiden Helden und ihr Mentor in hostorischer Kleidung sitzen, aber eben auch, am Nachbartisch, wie im venezianischen Florian zu Karneval Menschen mit Elchsköpfen, deren einer den etwas surrealen Humor noch dadurch unterstreicht, dass eben das Männchen Hörner trägt. Womit das Thema des Stückes höchst elegant schon angeschlagen ist, bevor auch nur ein Satz fällt.

Großartig wird die ansonsten traditionelle Aufführung dort, wo Konwitschny Anleihen bei Pirandello nimmt: Er lässt das Stück kurzerhand unterbrechen, was schon durch die deutsche, sehr gegenwartsangepasste Textfassung der Dramaturgen dieser Inszenierung, Bettina Bartz und Werner Hintze, legitimiert ist („Das Leben einer Zofe ist wirklich zum Kotzen!“). Konwitschny-als-DaPonte, den ein Don Alfonso gibt, der, noch am Hochzeitswürstchen kauend, ins Publikum spöttelt: „Anche voi!“ Es gibt sogar eine genderironische Utopie, leichtfüßigst, ja, gänzlich niebelschützscher Rokoko: Da man sich gar nicht mehr entscheiden kann, wer denn nun lebenslang mit wem das Bettchen teile, springt Ferrando zu Gugliemo auf den Tisch (oder war’s Gugliemo zu Ferrando – ah, vergessen! einerlei!) und ruft erlöst hinaus: „Dann heirate ich ihn!“

Vorzügliche Sänger, insbesondere bei Dietrich Henschel wittert etwas Ungeheures mit, das an seinen großen Lyoner Busoni-Faust denken lässt, sowie die spitzigen, von Kirill Petrenko sozusagen trocken gesetzten Tempi geben dem durchaus langen Abend auch dann seine Form, wenn die Akustik der Komischen Oper, jedenfalls in der 13. Reihe, mit seltsamen Klangperspektiven aufwartet; insgsamt hat das Orchester ein wenig pappig geklungen, als werde in einem dafür nicht geschaffenen Raum auf historischen Instrumenten gespielt.

Dennoch, die Ovationen jubeln zum Schluss. Unabhängig davon wirkt die Inszenierung nach, übrigens auch durch das Programmheft, das ganz Wende-neubürgerkonform der monogamen Beziehung eine Hohelied singt, gegen das wiederum Konwitschny, indem er nämlich mit ihr anstößt, seinen Stachel ganz ebenso löckt wie die schönen Bilder der Vulkane, die fruchtbar drohend das Programmheft ebenso illuminieren wie konterkarieren. (anh)


Fotos: © Monika Rittershaus