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Gesto�ene Entsagung
Keine Frage, diese seit 1994 gespielte Inszenierung geh�rt f�rs Publikum
zu den Schlagern der Berliner Opernh�user. Ich frage mich allerdings,
warum. Es ist wahr, die Auff�hrung besticht durch enorme Bildkraft, der
Gang zum Schaffott der sich selbst opfernden Nonnen nutzt die gesamte
riesige B�hne aus und geh�rt sicher zu den eindrucksvollsten Ideen der
Auff�hrung. Auch hat G�nter Kr�mer seine Personenf�hrung bis in die genaueste
Einzelgeste durchdacht. Allerdings leidet unter dem Detailblick die interpretatorische
Linie insgesamt.
Musikalisch wiederum findet sich alles auf h�chstem Niveau, nicht was
die Komposition selbst anbelangt, wohl aber ihre Interpretation. Einem
enorm starken Damen-Ensemble, zu dem unbedingt der Chor hinzugerechnet
werden muss, stehen wenige, aber h�chst lyrisch gestaltende M�nnerstimmen
gegen�ber... nichts ist unpassend hier, alles f�gt sich, ja selbst die
notwendigerweise hysterischen Nonnen sind irgendwie im Rahmen; bisweilen
hat die Komposition R�schen an den Noten, bisweilen f�llt eine Z�hre Puccini,
dann wieder �berkommt eine Art "russischer" Melancholie das Melos... doch
letztlich tut es niemandem weh und nimmt keinem den Atem. Selbst das donnernde
Pathos hat etwas, ich m�chte sagen, Zitiertes. Wir bleiben insofern v�llig
zivilisiert.
Das Hauptproblem besteht aber wahrscheinlich in der dramatischen Anlage
des St�ckes selbst und darin, dass Kr�mer keinen Ansatz findet, der die
Widerspr�che nicht aufl�st (das w�re unangemessen), aber mindestens aufeinander
bezieht. Die ersten sechs Bilder fokussieren sich mehr oder minder individuell
um die Frage, ob man es hier m�glicherweise mit einer (verschobenen) Missbrauchsgeschichte
zu tun habe. Der zweite Teil des Abends aber gestaltet eine gro�e politische
Allegorie, die Figuren - also auch ihre Leiden - verschwinden im Metaphorischen,
auch im Massenhaften... wozu die gemeinschaftliche Opferszene nicht wenig
beitr�gt.
Beide Teile f�r sich sind plausibel, wenn mich der zweite auch ziemlich
irritiert, da doch der zwanghaften M�nnerwelt nicht etwa ein befreiendes
Frauenleben, sondern die jetzt sozusagen als Gruppenindiduum gestaltete
nicht minder zwanghafte Gemeinschaft von Nonnen gegen�bergestellt wird,
die ihrer Mutter nicht einmal einen gnadenvollen Tod erlauben, sondern
sie zwingen, sich im Zeichen der Selbstzucht aufs viehischste von dannen
zu machen... Die Priorin schreit denn auch und zu Recht vaterlos wie Elektra.
Damit will der zweite Teil des Abends das Publikum identifizieren. Es
ist, als h�tte Kr�mer Angst gehabt, sich auf das immer mitlaufende Thema
von (christlichen) Perversionen wirklich einzulassen, obwohl es immer
wieder inszenatorisch aufklingt.
Erst unter der gro�en, aufs Leben verzichtenden Massen-Begeisterungs-Szene
wird das endg�ltig versch�ttet. Wer also da nur ein wenig nachdenkt, den
�berkommt das Schaudern. Und sowieso der Schmock. Die standing ovations
dieser 17. Auff�hrung verleugnen ihn und es. (anh)
Karten unter 0700 67 37 23 75 46 |
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