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Asylanten-Utopie
Ein wunderbares Dirigat voll gedehnter, sorgsamer Tempi, die noch unter
das feinste absteigende Motiv die sorgsame Hand einer sozusagen festen
Empfindsamkeit legen (Christian Thielemann), - ein z�rtlicher Modernisierungswille,
der sich ebenfalls hinter das und nicht vor das St�ck stellt (Vera Nemirova),
- mit vor allem Paoletta Marrocu (Minnie) und Lado Ataneli (Rance), aber
auch Markus Br�ck und Lenus Carlson in eindrucksvollen Nebenpartien gl�nzenden
S�ngern - damit sei diese Inszenierung schon einmal empfohlen.
Nun kann man sich dar�ber streiten, ob die Idee, das Opernhaus vor der
Auff�hrung in einen Passagierdampfer zu verwandeln, der das Publikum unter
Reporterbegleitung in die Neue Erl�sende Welt f�hrt, mehr als ein Gag
ist, zumal als "Lontano - Kammerst�ck f�r einen Schauspieler" mit eigenem
Besetzungszettel im Programmheft bedacht. Zu wenig intensiv r�cken einem
die Billigpassagiere auf den Leib, die zu Seiten der Treppen auf ihren
Matratzen liegen; allenfalls der Salon mit Foxtrott-Orchester trifft die
Anmutung der �berfahrt, aber ja gerade nicht f�r die, die gemeint sind:
An denen blickt das neuerdings wieder ziemlich geleckte Premieren-Publikum
ziemlich vorbei; es gibt sogar wieder H�here T�chter, die sich moralisch
nicht mehr besinnen m�ssen. doch immerhin, Vera Nemirova holt die heutigen,
eben nicht romantisierten Menschen, in deren Kreisen die Oper spielt,
durch einen sehr akzeptablen Trick auf die B�hne zur�ck: Aus der Westernklamotte,
die allzu oft im Holz der Saloons zugrundgeht, wird ein fast-modernes
Siedlungscamp mit Fastfood-Wagen, in dem eben die Heldin der Oper die.
ja, wir w�rden heute sagen: Wirtschaftsfl�chtlinge mit Cola und McNuggets
bedient.
Durch den sehr hollywoodhaften Kulissenprospekt eines dauernden Sonnenuntergangs
in den Bergen bleibt das aber organisch an Puccini gebunden und wird �ber
einen Screen, der auf seinem Stativ wie eine Camp-Beleuchtung wirkt, zugleich
mit unserer n�chsten Gegenwart verkoppelt. Denn der Schirm l�sst uns in
ein Asylanten-Lager sehen. Und wenn ganz zum Schluss die Kulisse weit
nach hinten weggefahren wird und die Reporter zu Kamerateams werden, die
den Showdown der Liebenden filmen, dann schlie�t das nicht nur auf das
"Vorspiel auf dem Theater" zur�ck, also auf den Passagierdampfer, sondern
zudem noch auf Frank Corsaros Inszenierung von 1982, die insgesamt in
einem Filmstudio spielte.
So etwas macht in jedem Fall Spa�, auch dann, wenn das Konzept strittig
ist - strittig und zu diskutieren, nicht etwa danebengegangen. Musikalisch
ist man hier ohnedies f�r alles entsch�digt, von dem Johnson einmal abgesehen,
auf dessen S�nger so sehr die volle Wucht der Buhs niederkrachte, dass
ich ganz w�tend wurde. Denn niemand hatte etwas gelernt. Vielleicht war
der Mann ja nur indisponiert? H�tte nicht das Publikum - wie die M�nner
des Lagers dem Banditen - auch dem Darsteller vergeben k�nnen? Das w�re
dann wirklich utopisch gewesen. Doch ich verga�: Die Matratzenlager auf
dem Zwischendeck blieben ja unbeachtet. Hieran ist diese sehr, sehr sch�ne
Inszenierung gescheitert. An der Wirklichkeit. Nicht an der Kunst. (anh)
Karten unter 0700 67 37 23 75 46 |
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