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Ödipaler Schmock
M�ssen klassische Musikwerke auf Sinnkommraus inszenatorisch entstaubt
werden? Auch dann, wenn ihnen, solchen Staub anzusetzen, eigentlich gar
keine b�rgerlich-gschlamperte M�glichkeit war? Als Hans Neuenfels im Frankfurt
am Main der Siebziger Jahre die AIDA neu pr�sentierte, hatte man es ja
mit einem St�ck zu tun, das, insbesondere im Triumphmarsch, den ganzen
Schmock gesellschaftlicher Selbstbeweihr�ucherung feierte: Da taten die
wie zum Washington Day stechschrittig muffwedelnden Mickey M�use sehr
gut.
Nur haben kritische Mittel - seien es Metaphern, Ironisierungen, seien
es bewusst inszenierte Verf�lschungen - die Tendenz, sich zu formalisieren
und schlie�lich leer und Phrase, also selber Schmock zu werden. Davon
ist gerade der neue Berliner Idomeneo an der Deutschen Oper nicht frei,
und Neuenfels mag etwas davon selbst gef�hlt haben, als er zum Mittel
blasphemischer �bertreibung griff: Zum Schluss der Inszenierung werden
die abgeschlagenen K�pfe vierer gro�er Religionsstatthalter auf St�hle
gesetzt. Dass Jesus von Nazareths Kopf dabei ist, f�hrte zu Pfiffen und
Buhs aus dem Publikum, das im �brigen ganz zufrieden war. Jetzt allerdings
rumorte es etwas. "Sieh an, die Provokation funktioniert ja noch", fl�sterte
ich meiner Begleiterin zu, worauf sie ein wenig sp�ttisch lachte und zur�ckfl�sterte:
"I wo, das ist doch eininszeniert!"
Reinhard von der Tannens B�hne ist teils passepartouthaft schlicht, teils
m�rchenhaft-fantastisch und genau deshalb �berzeugend; es braucht wenige
Striche, um jeweils die Szene klarzumachen, es gibt Anspielungen zuhauf
bis hin zum barocken Puttenb�hnchen auf der B�hne. Viel lustige Farbigkeit
bringt der Chor hinein. �berhaupt werden verschiedene Stilformen �bereinandergelegt,
was dem slapstickhaften Regiestil entgegenkommt.
Sozusagen dennoch gelingt es besonders Charles Workman, einen nicht nur
typisierten Idomeneo zu singen, der ein wenig an Falk Struckmanns seinerzeitigen
Wotan erinnert: Vater, der mehr Mann als v�terlich ist. Workman gestaltet
ihn in sch�nen klaren Phrasierungen, indem er das Allegorische dieser
Rolle einfach nicht ausstellt. Das gelingt Luga Orgonasova weniger, nicht
etwa aus sanglichen Gr�nden, sondern weil die Kombination aus Leder &
Elektra die M�glichkeiten, jemanden jenseits seiner mythischen Bestimmung
leben zu lassen, rigoros abschn�rt.
Die barock gedachte Allegorie will ja gerade beides: tats�chlich pers�nlich
und �berindividuell sein. So tut es gut, dass Rucandra Donose allen auf
dem B�hnenprospekt lesbaren Schriftz�gen zum Trotz (DEN VERFLUCHTEN T�CHTERN
UND S�HNEN VON DEN VERDAMMTEN V�TERN) ganz einfach einen Sohn gibt: mit
innigem Ausdruck, teils ersch�ttert, teils sich leise emanzipierend, bleibt
die Darstellung dieses Idamantes immer weich. Interessant, dass eine Hosenrolle
dazu f�hrt, dass selbst eine Frau nicht nur herumsteht oder mit gestischen
Phrasen fuchtelt; m�nnliche Protagonisten liegen Neuenfels offenbar mehr.
All dies ruht auf einer Musik, deren pr�zise Gestaltung immer mal wieder
dem unfreiwilligen Schmock der Inszenierung in die Speichen greift. Lothar
Zagroseks Dirigat nimmt die Musik ernst und korrigiert dadurch das Ironische
des inszenatorischen �berbaus, so dass es zu ergreifenden Momenten kommen
kann, die durch alles Gedachte und Ausgedachte hindurch ihre sinnliche,
bisweilen r�hrende Direktheit behalten. (anh) |
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