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Fakten zur Aufführung 

IDOMENEO
(Wolfgang A. Mozart)
7. Mai 2003

Deutsche Oper Berlin

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Ödipaler Schmock

M�ssen klassische Musikwerke auf Sinnkommraus inszenatorisch entstaubt werden? Auch dann, wenn ihnen, solchen Staub anzusetzen, eigentlich gar keine b�rgerlich-gschlamperte M�glichkeit war? Als Hans Neuenfels im Frankfurt am Main der Siebziger Jahre die AIDA neu pr�sentierte, hatte man es ja mit einem St�ck zu tun, das, insbesondere im Triumphmarsch, den ganzen Schmock gesellschaftlicher Selbstbeweihr�ucherung feierte: Da taten die wie zum Washington Day stechschrittig muffwedelnden Mickey M�use sehr gut.

Nur haben kritische Mittel - seien es Metaphern, Ironisierungen, seien es bewusst inszenierte Verf�lschungen - die Tendenz, sich zu formalisieren und schlie�lich leer und Phrase, also selber Schmock zu werden. Davon ist gerade der neue Berliner Idomeneo an der Deutschen Oper nicht frei, und Neuenfels mag etwas davon selbst gef�hlt haben, als er zum Mittel blasphemischer �bertreibung griff: Zum Schluss der Inszenierung werden die abgeschlagenen K�pfe vierer gro�er Religionsstatthalter auf St�hle gesetzt. Dass Jesus von Nazareths Kopf dabei ist, f�hrte zu Pfiffen und Buhs aus dem Publikum, das im �brigen ganz zufrieden war. Jetzt allerdings rumorte es etwas. "Sieh an, die Provokation funktioniert ja noch", fl�sterte ich meiner Begleiterin zu, worauf sie ein wenig sp�ttisch lachte und zur�ckfl�sterte: "I wo, das ist doch eininszeniert!"

Reinhard von der Tannens B�hne ist teils passepartouthaft schlicht, teils m�rchenhaft-fantastisch und genau deshalb �berzeugend; es braucht wenige Striche, um jeweils die Szene klarzumachen, es gibt Anspielungen zuhauf bis hin zum barocken Puttenb�hnchen auf der B�hne. Viel lustige Farbigkeit bringt der Chor hinein. �berhaupt werden verschiedene Stilformen �bereinandergelegt, was dem slapstickhaften Regiestil entgegenkommt.

Sozusagen dennoch gelingt es besonders Charles Workman, einen nicht nur typisierten Idomeneo zu singen, der ein wenig an Falk Struckmanns seinerzeitigen Wotan erinnert: Vater, der mehr Mann als v�terlich ist. Workman gestaltet ihn in sch�nen klaren Phrasierungen, indem er das Allegorische dieser Rolle einfach nicht ausstellt. Das gelingt Luga Orgonasova weniger, nicht etwa aus sanglichen Gr�nden, sondern weil die Kombination aus Leder & Elektra die M�glichkeiten, jemanden jenseits seiner mythischen Bestimmung leben zu lassen, rigoros abschn�rt.

Die barock gedachte Allegorie will ja gerade beides: tats�chlich pers�nlich und �berindividuell sein. So tut es gut, dass Rucandra Donose allen auf dem B�hnenprospekt lesbaren Schriftz�gen zum Trotz (DEN VERFLUCHTEN T�CHTERN UND S�HNEN VON DEN VERDAMMTEN V�TERN) ganz einfach einen Sohn gibt: mit innigem Ausdruck, teils ersch�ttert, teils sich leise emanzipierend, bleibt die Darstellung dieses Idamantes immer weich. Interessant, dass eine Hosenrolle dazu f�hrt, dass selbst eine Frau nicht nur herumsteht oder mit gestischen Phrasen fuchtelt; m�nnliche Protagonisten liegen Neuenfels offenbar mehr.

All dies ruht auf einer Musik, deren pr�zise Gestaltung immer mal wieder dem unfreiwilligen Schmock der Inszenierung in die Speichen greift. Lothar Zagroseks Dirigat nimmt die Musik ernst und korrigiert dadurch das Ironische des inszenatorischen �berbaus, so dass es zu ergreifenden Momenten kommen kann, die durch alles Gedachte und Ausgedachte hindurch ihre sinnliche, bisweilen r�hrende Direktheit behalten. (anh)


Foto: © Mara Eggert