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Dein Kuss aus Safran und Ekel.
Katja Czellnik hat offenbar eine Vorliebe für den als Guckkasten hergestellten Guckkasten. Das hat Vor-, aber auch Nachteile; dann denke ich an ihre Inszenierung von Peter Grimes am selben Haus, so lässt dies nicht auf eine sonderlich weit gefächerte inszenatorische Ideenfülle schließen, unabhängig davon, ob die eine Idee tatsächlich reicht.
Darüber lässt es sich für den gestrigen Abend streiten. Zwar eine die Symbolik der Enge durchaus angemessen für die Personen, deren Schicksale Piazzolla in seiner „Operita“ stellvertretend am Beispiel seiner María (!) erzählt, doch wäre ganz sicher eine Lösung des durchaus, in Hinblick auf Regie, problematischen Stückes denkbar gewesen, die nicht ganz so nur-choreografisch daherkommt – allein schon deshalb, weil Choreografie ein Wesenselement des Tangos selber ist, das man nicht verdoppeln muss. Dennoch gelingen bisweilen starke Bilder, etwa bei den zapata-Stellen, wenn plötzlich fast kopflose Bewegung in die Menge gerät. Auch sie erinnert dabei an Czellniks „Grimes“: dass die Bühne von zahllosen Menschen, die oft hin- und hergehen, bevölkert wird. Einzweimal ergab das durch geschickte Personenführung tatsächlich das Bild eines Tangolokals, auf dessen Parkett die Tänzer sich drängen, wie sie zugleich doch einsam sind. Hier ist Czellniks Arbeit wahr.
Das Stück wird an der Komischen Oper als das erzählt, was es von sich selbst einmal sagt: als „Moritat“ und, im scharfen Manierismus der Tangoästhetik formuliert, „Motette aus Knoblauch und Lorbeer“. Ausgesprochen prägnant und bassvoll, geradezu erdig verschwitzt dabei, der inszenierte „Duende“ (Daniel Bonilla-Torres), der in wechselnden Rollen - Gauner, Zuhälter, Geist usw.: was ihm indes nicht anzusehen ist - durch die Geschichte(n) führt. Ihm zur Seite steht ein mit herrlichem hellen Klang um „triste María de Buenos Aires“ klagender Payador (Matthias Klein), der Barde sozusagen unter den Gauchos. Überhaupt ist der Abend musikalisch ganz wundervoll, nicht nur aus dem Orchestergraben kommt der von Per Arne Glorvigen geleitete, sonor den Raum (er)füllende Wohlklang, sondern auch von der Empore seitlich sind bisweilen vor allem Schlagzeuginstrumente zu vernehmen, was den Zuhörer nahezu mit auf die Bühne versetzt. Allein Marías (Julia Zenkos) Stimme hätte mehr Kraft, auch mehr schneidende Gegenwart gebrauchen können; auf meiner brasilianischen Schallplattenaufnahme ist sie die Präsente; bei Czellnik/Glorvigen geht sie stimmlich oft ebenso unter, wie sie, Manifestation eines Opfers, von Czellnik auf den Boden gelegt wird.
Dabei geht der Aufruhr ein wenig verloren, den ein Tango eben auch repräsentiert: die Messer werden nicht nur von den Männern getragen, auch wenn der Frauen Messer das Gift ist. Vielleicht lag es aber auch an der Technik; ich hatte insgesamt den Eindruck, die Sänger seien elektronisch verstärkt, jedenfalls in den Sprech-Partien: Diese wurden dadurch aber, weil nämlich kein Opernkunstklang aufkam, außerordentlich authentisch und präsent, und man konnte akustisch gut den Eindruck haben, eben nicht in einem Opernhaus zu sein. Was entschieden für diese Behandlung der Operita spricht.
Ein wunderschön trauriger Abend, alles in allem, und lohnend. Auch wenn hinter mir gleich jemand selbstgewiss nölte: „Was für ein Selbstmitleid!“ Als hätte die Melancholie, die gerade den Tango erfüllt, nicht ein Recht. Die Unfähigkeit zu trauern stand denn auch schnell auf und ging.
Noch ein Wort beiseite: Intendant Homoki hat mit „María de Buneos Aires“ erstmals in der Geschichte der Komischen Oper die Deutschsprachigkeit durchbrochen. Auf der Homepage des Hauses finden Sie sein Argument dafür. Mit Fug und Recht lässt sich entgegnen: Das gilt für jedes Stück, dem die nicht Einheit, nein, eben nicht, aber Verschmelzung von Dichtung und Musik gelungen ist. María de Buenos Aires hebt sich da durchaus nicht gesondert hervor. (anh)
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