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Fakten zur Aufführung 

MESSA DA REQUIEM
(Giuseppe Verdi)
3. März 2004


Deutsche Oper Berlin

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St�rzende Kreuze

Es gibt Dichter unter den Regisseuren und - wie es sinfonische Dichtung gibt - stark bildhaft poetisierte Musik; im inszenierten Genre wei� man dann nie genau (und muss es auch nicht wissen), was das ist: Oper, Meldodram, eine klingende, str�mende Fantasie... Dazu geh�rt Achim Freyers morbid manierierte Bilderfolge nach Verdis so ber�hmtem wie umstrittenem Requiem. H�chst folgerichtig werden hier die Zeiger einer als Schatten gleitenden Uhr zu Messern.

Insgesamt hat diese Inszenierung einen �sthetisch hochkonsequenten Zug in den Scherenschnitt. Die in der Horizontale dreigeteilte B�hne bleibt flach wie ein Relief, �ber dessen L�nge die Personage in unendlicher, repetierter Bewegung dem Tod entgegent�nzelt, -stelzt und -schreitet. Gedankliche Vorlage ist das memento mori, bzw. die im 15. Jahrhundert als k�nstlerischer Reflex auf die Pestwellen entstandene, handwerkliche ars moriendi, etwa bis in die Neuzeit hinein sich drehende Glockenspiele, auf denen der Schnitter dem Menschen unerbittlich-mechanisch folgt.

W�hrend in der unteren B�hnenebene der nach Clive Barker wirkende Chor in einem entgrenzt-angedeutet sich auf- und absenkenden K�fig eingesperrt und nur zeitweilig sichtbar ist, laufen �ber die mittlere wei� und schwarz stilisierte Figuren mit (blut-)roten, oft wechselnden Assecoires: Nasen, H�nden, Teilen von Torsi, unentwegt von links nach rechts. Das ergibt pl�tzliche, wie vorangezogene, mechanisch-irre Tableaus von nicht selten archtypischer Kraft. Nur einmal - unterdessen ein Freyersches Selbstzitat - ist ein Blau zugelassen, das gleich wieder, wie f�r immer, verschwindet.

Die Fantasiekost�me haben - au�er bei den Solisten, denen ein als Buckel den Chistuskopf tragender Boris Karlov, eine Nikki de Saint-Phalle-Figur und Becketts Endspiel zugestanden sind - eine Tendenz in die Zwanziger Jahre. Und auf der oberen, bisweilen strahlend wei� hinterlegten Ebene werden Personen und Gegenst�nde zu zweidimensionalen Schattenschnitten, deren eindrucksvollster eine sich ruckhaft-unaufhaltsam bewegende Gestalt ist, deren Extremit�ten lange, wider den Strich auf- und zuklappende Messer tragen.

Doch zwingt Freyer die sich aufdr�ngende sp�tmittelalterliche, bzw. Renaissance-Anmutung immer wieder in den Hintergrund, und dies nicht nur vermittels der Kost�me. Sondern hier geh�rt auch das Programmheft unabl�sbar zur Dichtung: "Der wei�e Engel", "Der-Tod-ist-die-Frau", "Einsam" und "Der Beladene" sind die Solisten benamst, - was sich ja bei Verdi nicht findet. Desgleichen die wandelnden Figuren: "Der Krieg", "Die Dame", "Engelkampf" usw. Auf diese Weise wird Freyers Verdi-Sicht gleichzeitig zur barocken, operntheatralischen Allegorie, in die gegen Ende - als fallende Kampfflugzeuge - drei Kreuze st�rzen ... - bevor das "Libera me" den Chor auf die Erde achtels hinaus-, aber agnostisch in den �ffnungen steckenl�sst. Das d�rfte Verdis Haltung gegen�ber christlicher Erl�sung sehr entsprochen haben.

Ein so lyrisch singender Bass (Reinhard Hagen), dass man ihm Frankensteins leidendendes Monster, in das er verkleidet war, allezeit glaubte, eine femme-fatale-haft lockende Mezzosopranistin (Ekaterina Semenchuk), der aus dem Kaminrohr, worin er feststeckte, singende Tenor (Hugh Smith), und Miriam Gaucis nur anfangs noch verhaltener Sopran, vor allem aber der in die H�lle verdammte Chor, dessen Mitglieder genau zu f�hlen schienen, wovon sie sangen - nichts war hier inszenatorisch aufgest�lpt -, machten den kurzen Abend derart intensiv, dass das Publikum nachher zu applaudieren z�gerte. Zu Recht, weil sich Beifall nach einem Requiem ohnedies nicht geh�rt. Erst als die ambivalente Anspannung sank, bekamen die Darsteller und das unter Michail Jourowski beklemmend leidenschaftliche Orchester ihre rundweg berechtigten Bravi. (anh)


Karten unter 0700 67 37 23 75 46






Fotos: © Monika Rittershaus