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Unschuld & Verdammnis
Eine in ihren expressiven Vierteltonschritten geradezu hypnpotische, wenn
nicht psychedelische Musik, die bei aller Modernit�t auch den unausgebildeten
H�rer nicht mit Dissonanzen plagt, sondern ihn - ganz wie in der griechischen
Trag�die - erschauern l�sst. Die suggestiv-farbstarken, teils phantastisch-magischen
B�hnenbilder Gottfried Pilz'. Ein S�ngerensemble, das besonders mit Esa
Rautuutunen, Gleb Nikolskij, Yvonne Wiedstruck und der jungen Andion Fernandez
kaum intensiver vorgestellt werden kann; besonders Marjana Lipovsek sang
mir durch Mark und Herz. in der Stimme ihrer Sphinx hallte etwas von black
music, von schwarzer gutturaler Ballade. Und ihre Interpretation l�sst
das Ungeheuer auch 'ungeheuer' sterben, eine h�hnisch lachende Niederlage
von unangenehmster Ambivalenz.
G�tz Friedrichs' ausgefeilte, nach Sinn und Schicksal grabende Regie,
deren Personenf�hrung noch acht Jahre nach der Premiere funktioniert und
- unwillentlich? - klarmacht, dass die vers�hnliche Levitation, die Enescu
und sein Librettist Fab ihrem �dipus zuschreiben, nichts als humanistische
Aufpfropfung ist. Die Oper ist tats�chlich ("eigentlich", nicht faktisch)
da zu Ende, wo der selbstgeblendete blutende �dipus aus der Stadt gewiesen
wird. humpelnd, gebeugt, zum Herzverkrampfen unschuldig mit Schuld geschlagen,
geht er an der Hand einer Tochter. der Vorhang f�llt, man sitzt da, wei�,
es waren noch nicht alle Bilder. und dennoch, hier m�sste jetzt geschwiegen
werden. man m�sste sitzen bleiben, stumm, geschlagen beinah selbst, in
sprachloser Ersch�tterung. so hilflos macht einen das, so intensiv ist
der klassische Mythos in drei von vier Opernakten wiedererstanden. -
Das Dirigat Cristian Mandeals schlie�lich, zugleich sorgsam auf Enescus
musikalischen Synkretismus bedacht wie auf das Lodern des, ich m�chte
sagen, trag�dischen Feuers, mit dem er brennt.
Wessen bedarf es denn um aller Musen willen noch, damit sich ein
Opernhaus mit Publikum f�llt? Es hat etwas seinerseits Tragisches, wenn
Berlins musikdramatische B�hnen um ihre Zukunft bangen und offenbar gerade
die Qualit�t ihrer Produktionen sie ihnen streitig macht. Man spielte
vor schmerzlich vielen leeren Pl�tzen. Dabei galt die 1936 uraufgef�hrte
und danach h�chst selten gegebene Oper bei ihrer Berliner Premiere 1996
als eine der ma�geblichen b�hnendramaturgischen Wiederentdeckungen
Neuer Musik. Zudem ist sie in dieser Saison insgesamt nur dreimal zu h�ren:
13 Auff�hrungen in acht Jahren sollten die Musikbegeisterten herpilgern
lassen - vor allem dann, wenn mit solcher Intensit�t musiziert und gesungen
und dargestellt wird.
Der Mensch als Elementarteil einer Allegorie, die jeder Form von Selbstbestimmung
spottet: Das dringt noch durch Enescu/Fabs vers�hnlichen Schluss hindurch,
den feinere Gem�ter als Kitsch empfinden. Deshalb streiche ich das Sechste
Bild und habe f�nf Bilder gro�es Musiktheater geh�rt. Und danach drei
schwere, schmerzliche, tiefe Minuten --- Schweigen. (anh)
(Noch zwei Vorstellungen: am 29. April und am 2. Mai. )
Karten unter 0700 67 37 23 75 46 |
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