Rezensionen     Kommentare     News     Backstage     Befragung     Links     Kontakt     Impressum    Wir über uns
     

Fakten zur Aufführung 

L'ORFEO
(Claudio Monteverdi)
19. Januar 2004

Staatsoper Unter den Linden
(Berlin)

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Mit Rudolf Steiner zum Himmel hinauf

Musikalisch ist diese Auff�hrung ganz wundersch�n. Die in Seiten- und Hintergrund aufgeteilte, teils aus den R�ngen spielende "akademie f�r alte musik" und "vocalconsort berlin" wie "concerto vocale" musizieren unter Ren� Jacobs Leitung so frisch wie lustvoll genau, oft sehr m�rchenhaft, also erz�hlerisch, im Ton.

Die Solos�nger haben Seele und Sch�nheit, Nuria Rials (Euridices) Stimmf�hrung nimmt jeder Verzierung die Manier, l�sst sie "einfach" innig werden, so dass man als H�rer schon mal in sich hineinseufzt, St�phane Degouts Orfeo hat vermessene Kraft und doch auch von allem Anfang an orphische Elegie, und Marie-Claude Chappuis's Proserpina ist wirklich unterweltliche Stimmg�ttin... - nein, musikalisch gibt es hier gar nichts zu meckern.

Und auch die Szene g�be vieles her: Die moderne (eigentlich ja alte) Plazierung der Instrumentalisten neben und vor der schr�gen B�hne, dass es dazu ein sozusagen "Fernorchester" am hinteren B�hnenprospekt gibt, das Spiel um erz�hlte Theaterillusion zumal - Theater auf dem Theater also -, der Rollenwechsel innerhalb der kleinen Akte, das sch�ne, n�chterne Licht... all dies nahm mich anfangs f�r diese Inszenierung ein. Man kann auch, glaube ich, �ber die b�hnenbildnerischen Unterwelts-Einf�lle diskutieren: wenn ein Prospekt etwa unvermittelt an Kiefers Nicht-Geborene erinnert oder kurz vorher an einen Magritte, dem allerdings der Surrealismus fehlt usw...

doch zugleich und schon zu Anfang vermittelte sich der Eindruck sauberen, ich m�chte sagen: sekretlosen Kitsches, der in affig-modischen Bewegungen von S�ngern und Chor erstmals zum Ausdruck kommt. Seit 1996 das Gespann Herrmann/Jacobs den Chor sich nach H�ndel "abtanzen" lie�, hat der damals so angemessene wie wunderbare Einfall derartig Schule gemacht, dass kaum noch eine Inszenierung alter Musik ohne ihn auskommt.

So "rocken" also auch hier die Ensembles, aber komisch pr�de... wie �berhaupt Barrie Koskys Inszenierung ziemlich unfleischlich daherkommt, als h�tte er f�r seinen beachtlichen Ligeti - nebenab an der Komischen Oper - ein Abtestat-Opfer bringen m�ssen... also f�llt ihm auch f�r die Toten der Unterwelt nichts weiter ein, als sie sich starr und bleich und von den Zipfeln ihrer Kleiderschleppen verfolgt �ber die Bretter schleichen zu lassen, manche d�rfen auch L�mpchen tragen, so dass sie die Fantasie des Zuschauers zu Anglerfischen macht, die ja seit "Findet Nemo" allgemeines Bildungsgut sind... Nix Cocteau also.

Und Apollo schlie�lich steigt so schwanzlos, so zeugungsschwach-androgyn herauf, dass einem ganz theosophisch zumute wird. Ein leuchtender Kristall h�ngt ihm dabei, eine r�cksichtslos banal-esoterische Zirkusnummer, unter der Hand - zwecks Hypnotisierung des Orpheus, sicher, zu welcher aber mehr noch die schwule Eurythmie beitr�gt, die einen aus Gr�nden des Guten Geschmacks immer davon abhielt, seine Kinder auf Waldorfschulen zu geben.

Sie sollten einen - wegen der Musik - aber nicht davon abhalten, in diese Inszenierung zu gehen. Denn wir Menschen sind ja organisch privilegiert und k�nnen, kommt's drauf an, die Augen schlie�en... schon wegen der vielen Guido Westerwelles, die gestern Abend die Lindenoper besatzten. Was sie da wollten, wei� ich nicht. (anh)




Fotos: © Innsbrucker Festwochen