Rezensionen     Kommentare     News     Backstage     Befragung     Links     Kontakt     Impressum    Wir über uns
     

Fakten zur Aufführung 

DON QUIJOTE DE LA MANCHA
(Hans Zender)
24. Oktober 2004

Komische Oper Berlin

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Eine Moral in b�se Klee'scher Mechanik

Hans Zenders "Don Quijote de la Mancha" an der Komischen Oper Berlin. Ein Setzkasten von 10mal vier Feldern, auf die man blickt, vorne linksmitte ein kleines, sich drehendes R�derwerk daran montiert, mahlende Uhren, mahlende Maschinen wom�glich, die, wird es dunkel, ebenso filigran im UV-Licht leuchten wie die wei�en Kleiderteile der S�nger. Erz�hlt wird eine Moritat, nicht etwa Psychologie.

Weder von Tragik l�sst sich sprechen, noch eigentlich, wie das Programmheft m�chte, von Komik. Don Quijote als absurdes Theater vielmehr, vielleicht ein wenig versp�tet; modern ist nur die Lockerung der dramaturgischen Folge: Nach etwa 55 von 80 Minuten wird - als w�re es Verwandlungsmusik - eine so genannte Ouverture gespielt, voll ausgesprochen sch�nem pr�parierten Klavier.

Der Schluss der Oper wiederum l�st sich in Miniaturen auf, sowohl musikalisch wie gestisch �beraus dicht: Es sind, w�ren nicht B�hnenbild und Komposition, fast Pantomimen. Die Oper als ein Experiment der Projektionen. Die Geschichte selbst ist ja genugsam bekannt. Nur kommt Komik ohne Psychologie nicht aus, und Altes wiedererz�hlen bedeutet, es erz�hlen, als w�re es neu. Davon nimmt dieses ... ja ulkige, bisweilen derb-spa�ige, auch schon mal alberne Musiktheater deutlichen Abstand. Auch deshalb sprach ich von Moritat.

Die "Zeitgen�ssische Oper Berlin" hat aus Hans Zenders 1996 uraufgef�hrtem St�ck eine Auswahl der ohnedies dramaturgisch nicht fest verklammerten Partien collagiert, was Zenders "eigentlichen" Quijote fast um die H�lfte verk�rzt. Das Ganze hat offenbar ausgespielt. Wir leben in Fragmenten, von unerbittlichen, wenn auch zarten R�dern vorangetrieben. Sie f�hren im Wortsinn vor, vor allem den hageren "Ritter" selbst; es liegt rein an ihm (und seinem S�nger Tom Sol), dass er kein Popanz wird.

Es ist aber auch der Melodik geschuldet, die Zender ihm zuspielt, etwa der Intonation gleich zu Anfang: seinem �ber vier Erz�hler hinweggesungenen "Dulcinea". Da ist die Wahrheit gegen alle Realit�t alleine bei ihm. Nur Quijote erf�llt die streng voneinander geschiedenen Setzkastenfelder mit so etwas wie einem Nachhall von Seele. Besonders deutlich wird das in seinem sehnsuchtsvollen Liebeslied, aber auch einer der vielen szenischen Leerstellen, die aus dem Off gesungen und gesprochen werden: Klangstabt�nendes Schlagwerk imitiert rhtyhmisches Morsen, und die �ffentliche Meinung spricht durcheinander. Hier bekommt die Opernmontage etwas wirklich Beklemmendes und ist kompositorisch so zwingend wie die nachgeschobenen Miniaturen. Das bleibt haften.

"Leerstelle" bescheibt Sabrina H�lzers kluge Inszenierung insgesamt gut. Die Darsteller sind in ihre Monaden gesperrt, zutiefst kommunikationslos, keine Ber�hrung ist ihnen erlaubt. Sie singen ins Publikum, als w�re eine dramatische Szene nicht da. Ist sie auch nicht: Das ist der Regisseurin ziemlich b�ser Trick. N�mlich stellt sich Szene, also Austausch miteinander, auch dann nicht her, als Don Quijote auf dem Sterbebett widerruft. Als Normalit�t wiederhergestellt zu sein scheint.

Leider war Zender als Textdichter bzw. Textarrangeur nicht immer inspiriert, er h�tte sich manch Eigentor ersparen k�nnen ("Und so bitte ich alle um Vergebung, dass ich Anlass gab, Ihre Zeit so zu verschwenden." Prompt gibt es Zwischenapplaus. Neben mir tiefes Atmen.). Doch ist das eigentliche Problem das Ausweichen in ein �berlebtes Absurdes, an das sich auch einiges Kompositorische klammert. Wenn es nach experimentellem H�rspiel klingt und allzu sehr nach Darmst�dter Schule. So dass die Oper zwischendurch an die Konzeption einer Avantgarde erinnert, die schon in den Siebzigern �berlebt war. Ihre Chance w�re stattdessen der Wozzeck (ganz zitathaft in diesem Don Quijote: "Er ist ein guter Mensch"), nicht Ubu ("eine Sache f�r den Chef").

Hans Zender ist nicht Ligeti, ist nicht Bernd Alois Zimmermann. Seine St�rke liegt vielmehr (glaube ich) in Don Quijotes sehnsuchtsvollem "Dulcinea". Sowie in den Kl�ngen der Miniaturen. Beides bekommt auch der skeptischste Ironismus nicht kaputt. Und als moralische Botschaft nehmen wir mit: Das Ich stirbt, wenn es sich selbst, als Spiegel, begegnet. Die Projektionen platzen, schon ist es - mit Etojiuq noD gesprochen - "dot". (anh)


Karten unter (030) 47 99 74 00