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Anspruch pflanzen
Man dr�ngt sich vor den noch verschlossenen Glast�ren, Lachen, Kinderschwatzen,
Rufe, Eltern tuscheln ihren Kindern Geduld zu. Dann geht es endlich hinein,
zur Garderobe, aber nun sind die n�chsten T�ren verschlossen, die Hostess
spricht �ber Walkie-Talkie. Die K�nstler sind noch nicht fertig, haben
sich versp�tet, "Franzosen halt", sagt die Hostess. Und endlich jubelt
man die Treppen hinauf ins Foyer, wo die improvisierte B�hne aufgebaut
ist.
Direkt vor ihr sind Sitzkissen �ber den Boden verteilt, dahinter der Raum
ist f�r die Erwachsenen bestuhlt; doch auch manch ein Kind nimmt scheu
lieber dort Platz. Und das Spiel beginnt. Nein, kein Musiktheater, das
auf eingefahrenes H�ren setzt, sondern ungebundene Tonalit�t, deutlich
mit Dissonanzen spielend, aber stark durchrhythmisiert, so dass die Kinder
Handlung, Choreografie und Musik aufeinander beziehen, ja mitschwingen
k�nnen.
Schon das ist erstaunlich, wie bereitwillig sie sich auf etwas einlassen,
das aus ihren bekannten Welten herausf�llt und f�r das sich auch musikalisch
gebildeten H�rern der Zugang oft immer noch verschlie�t: Neue Musik. Zwar
Freejazz mehr als Komposition, aber gerade das Improvisierte, Handlungsgeleitete
macht sie den Kindern ganz selbstverst�ndlich. Und zwar selbst dann, wenn
das M�rchen vom Rotk�ppchen nicht ganz so abl�uft wie bekannt. Georges
Arpeghis Bearbeitung bezieht sich n�mlich nicht auf die Gebr�der Grimm,
sondern auf die alte franz�sische Fassung des Volksm�rchens.
Dar�ber hinaus wechseln die Musiker, die zugleich Darsteller sind, mithilfe
von Masken und Gesten ihre Rollen: Gleichsam gleitet der Wolf durch einen
jeden hindurch. Es k�nnen auch schon mal f�nf W�lfe sein, drei Rotk�ppchen.
Die Moritat ist eine Moral. Obendrein wird zweisprachig erz�hlt, in Franz�sisch
und Deutsch, was die Erz�hlung als Musik-in-sich behandeln l�sst: Wiederholungen,
Leitmotive, ein kompliziertes Geflecht, das sich mit Stampfen, Pantomimen,
Tanz und Narration vollzieht und zudem die Musizierlust des Ensembles
REFLEX wunderbar �bertr�gt.
Etwa 35 der 45 Minuten herrscht in den Kindern durchweg Konzentration,
dann erst l�sst sie nach, und eine erste, selbstverst�ndlich ansteckende
Unruhe kommt auf. Zwei schon etwas �ltere M�dchen, denen vielleicht nach
den Spice Girls ist, beklagen ihre Langeweile, das macht dann halt die
Runde. Nicht jeder m�chte anspruchsvoll sein, aber wer die Kinder insgesamt
sah, wie sie lachten, und manche klatschten schon mal mit, manche riefen
engagiert dazwischen - wer das beobachtet hat, der wei�: Hier wurde ein
Anspruch nicht nur gesetzt, sondern gepflanzt. Davon, ach, bitte mehr.
(anh)
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