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Wie Machthaber entstehen...
Es war schon eine kleine Berliner musikarch�ologische Sensation (oder
sollte es sein), als Alberto Zedda in der vergangenen Spielzeit Rossinis
letzte neapolitanische Opera seria "Semiramide" in der kompletten, bzw.
komplettierten �ber vierst�ndigen Fassung auf die B�hne brachte. Auch
in der jetzigen Wiederaufnahme wird sie, von den rossinischen Streicherl�ufen
vorangetrieben, ausgesprochen frisch und temperamentvoll gespielt, aber
vor allem durch S�nger dargeboten, die ganz offenbar des Maestros Liebe
f�r die "mezza voce" teilen, die er selbst - ein pfiffiger, lebhafter,
ziemlich kleiner alter Herr - "aristokratisch" nennt.
Von dieser mezza voce machen sie denn einen h�chst lustvollen Gebrauch:
Virtuosit�t nicht als aufgesetzte Zirkusnummer, sondern um den fraglos
manierierten Ausdruck weitest m�glich voranzutreiben. Das entspricht den
inneren Konflikten, die sich in dieser Oper austragen, durchaus, vor allem,
weil ihretwegen eigentlich niemals so etwas wie jene, ich will sagen,
hysterische Peinlichkeit aufkommen kann, die dem Operngenre seit Beginn
der Romantik nicht ganz zu Unrecht anh�ngt und �ber gerade Opernneulinge
immer wieder ein eigentlich unwillentliches und den Trag�dien ja auch
h�chst unangemessenes Kichern herein-, d.h. aus ihnen herausbrechen l�sst.
In Semiramide hingegen ist selbst der B�sewicht vornehm (und wer w�re
- au�er dem "reinen Tor" Arsace - keiner?). Dass sich Rossinis Oper zudem
als politische Allegorie ganz gut eignet (feudales Machtspiel zwischen
Schicksal und orientalischer Intrige), macht Kirsten Harms' Inszenierung
mit leichter Hand deutlich. Dennoch ist das B�hnenbild tempelhaft wuchtig,
wohl den babylonischen Ausgrabungen stilisiert nachempfunden. Farben bringen
nur das helle hineingeschobene Bett und ein armvoll Rosen, sowie die ber�ckende
Erscheinung Raquela Sheerans (ui, dieses Raubkatzenkleid!!), die ihrer
Azema au�erdem eine innige Stimme verleiht. Au�erdem muss man einfach
gesehen haben, wie selbstverliebt sie mit ihren sch�nen F��en spielt!
Mal ganz im Ernst: K�me sie an die Macht, was bliebe ihr �brig, als nun
ihrerseits den schw�chelnden Arsace zu t�ten?
Mit Simone Alaimo singt ein h�chst pr�senter Dunkelmann, der von Szene
zu Szene mehr Macht, also intrigante Form, verliert und das auch dazustellen
vermag. Ewa Podles als Arsace spielt dessen naive Ahnungslosigkeit mit
allerh�chster, sich ihrer auch durchaus bewusster Virtuosit�t; dass sich
dies nicht als Widerspruch bemerkbar macht, ist seinerseits wohl eine
Auswirkung der von Zedda so favorisierten Gesangs- (und S�nger-)haltung.
Und Iano Tamar - als Semiramide die wahrscheinlich ambivalenteste Figur
dieses liebeshungrigen Machtspiels - erinnert bisweilen an eine Norma
des Zweistromlandes.
Man merkt in der Berliner Interpretation der F�hrung gerade dieser Figur
ausgesprochen deutlich an, wie meerhaft das Schicksal �ber seine vorgeblichen
Repr�sentanten hinwegschl�gt. Wenn Arsace zum Schluss als neuer K�nig
dasteht, mehr gedr�ngt als gewollt, dann wirkt er wie ein lauer, furchtsamer
Schatten seiner stolzen Mutter, deren Blut doch an seinen H�nden haftet.
So klein also, kann man(n) sagen, repr�sentiert sich das Patriarchat.
Und so gro� sind M�tter noch, wenn sie gehen. Ein ideologisch seltsamer,
auch immer wieder Zwischen-Jubel der vor allem in den vorderen Publikumsreihen
�lteren Herrschaften.
Direkt vor mir wippte allezeit ein Damenkopf im Rossinitakt. Und als das
Bett auf die B�hne geschoben wurde, wisperte hinter mir eine weibliche
Stimme: "Geniale Inszenierung. Geniale Inszenierung." Was dieselbe Stimme
auch im zweiten Akt, und zwar mehrmals, wiederholte. Ex oriente lux. (anh) |
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