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Fakten zur Aufführung 

ALGOT STORM
(Musik nach Edvard Grieg)
10. November 2007

Konzerthaus Berlin


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Musik

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-

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Bühne

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Trauriges Übergangsobjektchen.

Ein Solo für Kinder mit Musik kann man dieses „musikalische Spiel“ nennen, das am Sonnabend im Musikclub des Konzerthauses Premiere hatte. Ihm liegt die Bearbeitung eines Kinderbuches von Barbro Lindgren zugrunde, die mit der mit ihr nicht verwandten Astrid Lindgren eine der typisch schwedischen Kinderbuchautoren ist, die die Kinder-Weltliteratur seit Jahrzehnten entscheidend prägen. Hier geht es um einen sehr netten, aber sehr einsamen Herrn, dessen Sozialkontakte sich auf den Umgang mit einer täglich mehrfach begrüßten Krähe, einer kärglich wachsenden Topfpflanze, einem Teegeschirr en miniature und einem Spielzeugklavier beschränken. Eines Tages aber lernt der Herr Storm im Park einen Wurm kennen...

Es ist letztlich eine traurige Geschichte, die aus der Traurigkeit ihre Freude bezieht, indem der Umgang mit dem sprechenden Wurm, der vielleicht nur im Inneren des Herrn Algot Storm sprechen kann, zu einer Hommage an eine Freundschaft gerät, wie sie Herrn Storm mit Menschen nicht möglich ist. Erwachsen gesprochen geht es um die Chronifizierung eines Übergangsobjektes. Man könnte das einen Kinderpessimismus nennen, der die Seele von Melancholikern hat. Doch kann er mit einer solchen Situationskomik aufwarten, dass Kinder tatsächlich – aber szenisch, nicht musikalisch - erreicht werden. Es wurde von den jungen Zuschauern denn auch bei Vielem gelacht.

Das liegt an der narrativen Inszenierung, liegt an dem Schauspieler (Thomas Mette), der die kleine Tragik des schrullig versunkenen Herrn mit der großen Don Quixottes zu verbinden weiß und, wie dieser in Weinschläuchen Ungeheuer, in kleinsten Gegebenheiten ein bewusstes Leben entdeckt. Das liegt an der pfiffigen Einfachheit der Bühnen-Accessoirs, an einem wandelbaren Stuhl, an einem Salat, der sich auf höchst spritzige Weise verzehren lässt, wobei seine Blätter quer über die Bühne fliegen (was ein paar Kinder zum Dagegenhalten unbedingt animierte – es wären deutlich mehr gewesen, hätten die Eltern sie nicht kulturbewusst zurückgehalten). Das liegt auch an dem durchaus sentimentalen Menschenbild, das mit dem Pessimismus eine Allianz zur Menschenliebe einging, die Kinder schnell ergreift. Es bleibt aber Melancholie.

Nun ist die gesunden Kindern eher fern, weshalb das junge Publikum von der Musik nicht eigentlich berührt werden konnte. Man hat Stücke Edvard Griegs hergenommen und für Klarinette, Cello, Harfe und Schlagwerk gesetzt, wobei der Übergang von musikalischem Vortrag und lautmalerischer Szene-Untermalung ein fließender ist. Für den kleinen Raum des Musikclubs war die Klarinette dabei gerade an Forte-Stellen zu laut, nicht an sich, aber der Klang des Instrumentes bekam etwas quäkend Schiefes, auch Aufgesetztes, das die Musik dann insgesamt bestimmte. Sowie sie zum Solo-Vortrag überging und dann eben getragen war und nicht jenen Kinder mitreißenden Rhythmus hatte (melancholiehalber auch gar nicht haben konnte), der zum Mitklatschen und Mitmachen führt, blieb sie ihnen fremd. Ich habe nachher ein wenig mit meinem Siebenjährigen darüber gesprochen, den ich für Kinderoper-Rezensionen immer mit bei mir habe: solche Stücke sind ja nicht für Erwachsene geschrieben. Also tut man gut daran, die Kinder nach ihrer Wirkung zu fragen. „Das war sehr schön, Papa, aber wenn die Musik alleine spielt, dann war das ein bisschen langweilig.“ Kurzer, prüfender Augenaufblick, ob er seinen Vater mit dieser Aussage auch nicht enttäuscht... Der notiert aber nur und fragt weiter.

Was in diesem Solo mit Musik entschieden fehlt, ist deshalb eine musikalisch kenntliche, melodische Linie, die von Kindern behalten werden und sofort mit der Szene assoziiert werden kann. Ausnahme waren vielleicht die musikalisch untermalten Gänge Herrn Storms wie noch das kleine Duo auf dem Spielzeugklavier, das auf einer „Alle meine Entchen“-nahen Tonreihe basiert, doch letztlich auch keine Wiedererkennbarkeit herstellen konnte, die einem kindlichen Verständnisses für Musiktheater nötig wäre. Letztlich blieb es bei musikalischer Untermalung eines witzig-virtuos gespielten Sprechtheaters für Kinder. Dieses leisten Bühnen wie GRIPS' jedoch schon seit langem. Der Entwicklung einer kindgerechten Form von Musiktheater kann es darum um ergreifende-Szene-allein nicht mehr gehen. Und die Musik ergriff hier nicht.
Alban Nikolai Herbst


Fotos: Henrik Jordan