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Fakten zur Aufführung 

DAS TRAUMFRESSERCHEN
(Michael Ende/Wilfried Hiller)
20. November 2005

Deutsche Oper Berlin

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Ein Oscar Wilde für Kinder.

Als Koproduktion der Berliner Festspiele übernahm die Deutsche Oper Berlin nun angesichts des nahenden Advents "Das Traumfresserchen" ins Repertoire des Großen Hauses – und das Märchenstück ist für diese Riesenbühne dennoch wie gemacht; auch die kleine von der Tuba dominierte Partitur ist völlig durchhörbar; vielleicht besser sogar als im Haus der Festspiele selbst.

Etwas Turandothaftes gestaltet sich hier, das durchaus archetypisch ist und deshalb seine be- und verzaubernde Macht auf die Kinder (und manche Erwachsene) auch dann überträgt, wenn einzelne Szenen insbesondere jüngeren Zuhörern unverständlich bleiben müssen – etwa das Albtraumhafte der drei Ärzte, die eher von Alban Bergs Wozzeck hergenommen scheinen als aus dem Repertoire der Eisenbarts. Überhaupt gibt es manchmal Szenen, die etwas auch für viele Erwachsene operntypisch Problematisches in sich haben, wenn sich nämlich ein Text nicht erschließt, sei’s dass die Kompositionsführung das nicht erlaubt, sei’s es trage die Stimme das nicht.

So etwas ist besonders in der ersten Hälfte dieses phantastischen Stücks zu bemerken, etwa auch bei den anfänglichen Ermahnungen der Eltern: wenn sich die Grundgeschichte allein durch eine Erzählung herleitet, die aber eben phonetisch nicht verständlich ist. Andererseits gilt hier wie für Oper insgesamt: Es handelt sich um Wiederholungskunst; d.h. je öfter eine/r hineingeht und lauscht, desto mehr erschließt sich ihr und ihm. Deshalb ist fast allen großen Opern ein Suchtcharakter eigen; an manchen Stücken – und Partien der Stücke – hängt man wie an einer Droge. (Wie singt die Marschallin „jaja“? wie phrasiert man „un altro bacio“? Welterfolge hängen davon ab. Musterhaft ist so etwas an solchen Kinderopern zu verstehen.)

Wunderschön und sehr ambivalent die Bilder, die gefunden wurden, etwa für die guten Träume, die als Luftblasen durch die Videoinstallation schweben und halbiert sind schließlich, bis der grüne Kobold zurückgerufen wird, den die so folgsame wie aufmüpfige Intoleranz der Prinzessin verscheuchte... so dass die bösen Träume aus dem Kessel klettern konnten, ohne von dem Kobold erwischt und verschlungen zu werden.

Der geht nun also ins Exil, und weil in Schlummerland nur diejenigen Königin und König werden können, die gut schlafen, droht der Regentschaft des Hauses das Ende, ja sogar eine Revolution. Doch ein Lied ist es, worin sich das Geheimnis der Rettung verbirgt. Auch dies schon völlig opernhaft gedacht. Opernhaft heißt kunstutopisch.

Gespielt wird dies alles mit outrierendem Charme; das ist für ein Kinderpublikum in jedem Fall adäquat. Und macht – als Kinderstück – auch Erwachsenen einigen Spaß... von den seltamen Erinnerungen einmal abgesehen, die in einem aufsteigen und die mehr wie ein Geschmack als wie ein Bild sind. Was für die Tiefe spricht.

Die Kinder nehmen und – reingehen. Mehrmals. Auch wenn der Ohrwurm vom Traumfresserchen schließlich den gesamten Dezember bestimmt. (anh)


Fotos: © Bernd Uhlig