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Auf Engelsklippen, versunken in
den Fittichen
Dies ist die vielleicht intensivste Inszenierung des Tristans, die ich
je sah; und ich sah einige.
Auf Hans Schavernochs B�hne ein riesiger Engel, metallgrau, reflektierend,
die eine Schwinge erhoben, die andere hinab, in der Ferne einige Dolmen,
ein wei�es Lichtband beschlie�t die B�hne. Mehr braucht es nicht, um ergreifend
zu zaubern. Zumal anfangs einiges schiefgeht...
- nicht wegen des Vorspiels, das sich der an Carlos Kleiber Orientierte
geschmeidiger, ja: m e e r hafter d�chte... aber Quatsch, das ist Beckmesserei,
denn Kraft kriegt das Ding unter Barenboim allemal. -
- aber wegen der S�nger, die einerseits zu Anfang nicht glaubhaft machen,
der Engel sei nun tats�chlich ein Schiff, schlechter B�hneneinfall, dachte
ich, auch wenn mein Begleiter mich in der ersten Pause mahnend darauf
hinwies; auch in Romane m�sse sich bisweilen erst eingelesen werden, so
etwas m�sse man einem Publikum wohl noch abfordern k�nnen...
- andererseits tremolierten die S�nger in den ersten zwanzig Minuten fast
alle aufs schrecklichste, ja die T�ne orgelten wie auf dem Markplatz,
man konnte de schwingenden Tons�ulen
s e h e n...
- Pardon, ich �bertreibe... aber nur, um anschaulich zu machen, was d
a n n geschah: Also Isolde (Deborah Polaski, Tremolo) reicht Tristan (Christian
Franz, i r r e s Tremolo) den Trank, beide trinken endlich, dann sacken
sie nebeneinander auf den Sitz, sitzen da an der Seite des Engels und
sind v�llig ratlos. Ratlos sehen sie zu Boden. Ratlos beginnen sich ihre
H�nde zu bewegen, ratlos - n o c h ratlos - ber�hren sie sich, derweil
sich im Orchestergraben ihre Seelen sammeln... meine G�te, und dann kommt
dieses "Tristan", dieses "Isolde"... vollkommen gestaltete Anagnorisis...
vom Orchester, von den S�ngern, die hier Darsteller sind, vom Dirigenten...
und das w i r k l i c h e Wunder: Die Stimmen werden klar.
F�r die Regie sei Harry Kupfer gedankt. Es gibt sehr viel mehr, gibt eine
ganze Serie inszenatorischer, auch gesanglicher H�hepunkte, ich mag sie
nicht verpetzen. Nur soviel: Der zweite Aufzug, zur H�lfte unter den Fittichen
spielend (also wenn man die t�tige Liebe dazunimmt - imagin�re Zeit, nicht
wahr?), ist von kaum glaubhafter Innigkeit.
Gehen Sie einfach rein. Aber Sie m�ssen sich sputen: Das Haus war eben
nicht grundlos ausverkauft. Nein, nicht weil jeder S�nger immer erste
Klasse ist. Nein, nicht weil das Orchester st�ndig macht, was Barenboim
will. Nein, nicht weil er immer das Richtige - aber was ist das schon?
- will. Sondern weil in dieser Inszenierung ein Tristan g e s c h i e
h t. Und wem bei Markes (Ren� Papes) Klage nicht Tr�nen in die Augen steigen,
dezent, okay... der darf sich meinethalben gern ... na egal was!
Nur e i n e Bitte am Rande: Qu�lt Andreas Schmidt nie wieder durch die
Kurwenal-Partie. Er stellt den Mann ganz wunderbar dar, aber seine Stimme
wurde f�r Lieder gemacht, nicht um Schiffe zu stemmen. Unter Schiffen
geht sie ein. (anh) |
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