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Kunsthandwerk in eisigen, befeuerten
H�hen
Es liegt nahe, dieses fr�he, so temperamentvolle wie pfiffige St�ck Rossinis
als, sagen wir, extreme Burleske aufzuf�hren oder - um einen zeitgen�ssischen
Begriff - anzuwenden: "trashig". Das in Zoten und sonstig derbem Witz
berstende, bisweilen auch darunter zusammenkrachende Libretto, dessen
Personen- und Handlungsf�hrung eigentlich auf den Marktplatz geh�rt, k�nnen
wir Heutigen sicher eher goutieren als ein distinguiertes oder sich distinguiert
gebendes Obere-Klasse-Publikum noch vor drei�ig Jahren.
Und Alberto Zedda hat v�llig Recht, Rossinis ohnedies rasante Tempi kurzerhand
noch einmal anzuziehen. Was dann selbst in den H�rnern zu derart irrwitzigen
Bravourst�cken f�hrt, dass man gar nicht mehr anders kann, als von Zeit
zu Zeit in schallendes Gel�chter auszubrechen. Bei den gerasten Plapperpartien
des Ensembles sowieso.
Erstaunlicherweise dreht die bescheidenerweise "konzertant" genannte Auff�hrung
das Buffo-Gequassel in eine fast gl�serne Qualit�t, die eben nicht nur
vom Witz, sondern vor allem davon lebt, dass Zedda die groben �bertreibungen
des Librettos in den Frechheiten der Partitur wiederfinden l�sst. Und
das alles grinsend, ja grienend, ein pfiffig-schwelgender Maestro des
musikalischen Humors, dem im zweiten Akt der aufgegangene Kragen des Frackhemds
im Nacken zipfelt.
Das �bertr�gt sich - weil derart perfekt musiziert - unmittelbar. Auch
mir ging Zeddas permanentes Grinsen nicht aus dem Gesicht, kein feixendes,
sondern eines, das auf Temperament galoppiert. Die Regisseurin l�sst Rossinis
Charaktere sich r�cksichtslos �berzeichnen, was den Darstellern diebische
Freude bereitet und bereiten darf, da die Rollen ja Typen, nicht etwa
Charaktere sind. "Gnadenlose Outrierer" fl�sterte mir mein Begleiter ins
Ohr, um allerdings sp�ter, achtungsvoll sich revidierend, "von Kunsthandwerk
in eisigen H�hen" zu sprechen. Selbstverst�ndlich geht es um nichts als
ein, freilich genialisches, Entertainment, wof�r das Publikum schon vor
Opernbeginn h�chst dankbar war: konnte man sich doch jubelnd selbst beklatschten.
�berhaupt wurde gern applaudiert, das Publikum also sich selbst und den
losgelassenen Musikantismus, die Musiker das Publikum und sich und der
winzige alte Zedda alles zusammen. Aber das war eine befeuerte, zwar neureich
blitzende, doch durch makellose musikalische Arbeit gereinigte Eitelkeit.
Au�erdem gab es Silvia Tro Santaf� (wer denkt sich blo� immer diese Pseudonyme
aus?) in der Rolle eines nachgeborenen Aufsteiger-M�dels, das tagaus tagein
denselben achtelphilosophischen Unfug daherschw�tzt wie ihr Vater. Imgrunde
ist sie eine bessere Sophie. Neben Antonino Siragusas eindimensional angelegtem
lyrischen Ermanno - das St�ck l�sst ihm wenig andere Chancen als "nur"
sch�n zu singen - war sie die einzige, die ihren Charakter letztlich nicht
denunzierte, will sagen: sich nicht �ber ihre Rolle lustig macht. Vielleicht
ist es ihrer - sanglich sowieso vollkommenen - Interpretation zu danken,
dass nicht doch irgendwie der Geschmack zur�ckbleibt, man habe sich zwar
trefflich, aber doch ein bissel unter Niveau am�siert, wie bei einem technisch
auf Shakespeare-Niveau gebrachten Schwank des Ohnesorg-Theaters.
Nein. Die ambivalente Spanne zwischen der Phrasendrescherei eines adoleszenten
Dusselchens und seiner erotischer Erweckung zu halten und schlie�lich
mit dem pragmatischen Willen einer erwachsenen Frauensperson von menschlich
ber�hrender Italianit� zu f�llen, das war schon - auch emphatisch - hohe
Kunst.
Die "Szenische Einrichtung" Gerlinde Pelkowskis �brigens, ich mag noch
einmal die Bescheidenheit ehren, ist getrost und rundweg eine gelungene
Inszenierung zu nennen, die �berdies zeigt, wie sich in Zeiten knapper
Kassen mitrei�ende Auff�hrungen auch g�nzlich ohne Kulissendonner und
auf der Glatze subventionierter Einfallslosigkeit gedrehte Ausstattungslocken
auf die Bretter bringen lassen. Vielleicht werden wir den knappen Kassen
eines Tages sogar danken. Denn nicht nur das "giocose dramma", sondern
sehr wohl l�sst sich auf diese Weise auch eine sagen wir Salome aus dem
gleicherma�en Zwang sozusagen �berrealistisch-filmischer Pr�senz wie dem
bildlich zugestopften Symbolismus in eine sinnlich ative Imagination des
Zuschauers zur�ckretten. In Kunst-Lust n�mlich. (anh)
Karten unter 0700 67 37 23 75 46 |
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