Rezensionen     Kommentare     News     Backstage     Befragung     Links     Kontakt     Impressum    Wir über uns
     

Fakten zur Aufführung 

EINE FLORENTINISCHE TRAGÖDIE /
DER ZWERG

(Alexander v. Zemlinsky)
3. Juni 2003

Komische Oper Berlin

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Manchmal braucht die Liebe einen Toten

Zemlinskys Einakter "Eine florentinische Trag�die" und "Der Zwerg" an der Komischen Oper Berlin Nein, dies sind nicht eigentlich Repertoirest�cke, auch wenn ihre Premiere im November letzten Jahres stattfand, schon gar nicht, freilich, wenn mit Kimbo Ishii-Eto ans Pult ein Dirigent tritt, der bisweilen andere Auffassungen vom Tempo hat als sein Vorg�nger.

Man kann dennoch - so absehbar es ist - erschauern, leider nicht schon bei der m�rderischen anagnorisis, dem Wiedererkennen zweier Eheleute, die einander verloren hatten und sozusagen �ber der Leiche eines Geliebten neu ineinanderfallen, aber doch, wenn der Missgestaltete, der seinen K�rper allezeit f�r den eines hellenistischen G�tterboten hielt, feststellen muss, dass er nichts ist als ein... das englische Wort sagt es ganz fies: "Dwarf".

Wie weit Imagination der Kunst und soziale, �sthetische Realit�t auseinanderfallen, macht Douglas Nasrawis Zwerg auch dann klar, wenn wirklicher Sch�nklang die Sache seiner Stimme weniger ist als unbedingter, expressionistischer Ausdruck. Das passt vorz�glich in die Zeit und die Aura dieser bisweilen freitonal schwingenden, �ppigen, nicht selten den Schmelz der Zwanziger Jahre �ber den B�hnenboden schmierenden Musik; man h�rt ein bisschen Franz Schmidt, den jungen Strauss, ein bisschen Schoeck und, selbstverst�ndlich, Schreker - synkretistische Kl�nge, die dem Kunst-Projekt Oper bis heute eine Energie und Gegenw�rtigkeit verleihen, die mir �berhaupt nicht ausgesch�pft zu sein scheinen und - kombinierte man sie "schmutzig" mit gleicherma�en Rock, Jazz und Neuer Musik - als bewusster Zusammen-Klang zu noch v�llig anderen, intensiven Formen eines zeitgen�ssischen Musikdramas f�hren k�nnten.

Um Intensit�t n�mlich geht es, und in seinen besten Momenten wird das in dieser Auff�hrung geradezu unmittelbar klar - etwa wenn Gun-Brit Barkmins Ghita dem Zwerg endlich gibt, was ihm die Infantin kindersadistisch noch ins Sterben hinein verweigert: das Bewusstsein, "sch�n" zu sein, das hei�t eine Leidenschaft zu haben (sie zu sein), die er auch erf�llt, und zwar in ihr. Sie n�mlich hat seine Liebeskraft gef�hlt, in Wirklichkeit ist er ihr Geschenk gewesen. Doch das wussten beide nicht.

W�hrend Andreas Homoki im ersten Einakter - "Eine florentinische Kom�die" - vor allem die Ehefrau (Randi Stene) von Zeit zu Zeit etwas hilflos auf der B�hne herumstehen l�sst, mehr als blo� szenisch-verwirrt, hat er das zweite St�ck "Der Zwerg" v�llig im inszenatorischen Griff. Dabei sind beide B�hnenideen gleicherma�en �berzeugend: Im Ehedrama ist das Haus des Kr�mers b�hnenhoch aus Kartons gebaut, aus denen sich nach und nach die n�tigen Requisiten herausgekramen (-kr�mern) lassen; zudem kann beim Mord leicht - symbolisch wie real schl�ssig - eine ganze Wand einst�rzen: dahinter das Nichts der unbeleuchteten, nachtschwarz saugenden B�hne; im "M�rchen" sind s�mtliche Spielzeuge ins Riesige �berdimensioniert, so dass die Personen wirklich wie Figuren wirken, die erst die Kinderfantasie der Infantin beleben muss... was sich wie eine Gruppenhalluzination auf s�mtliche Mitwirkende, vor allem aber die Zuschauer �bertr�gt: Wir sehen den Zwerg, der aus seinem Kistchen niemals hinauskann (das ist inszenatorisch wahnsinnig geschickt), tats�chlich als "Gesch�pf", aber f�r uns bleibt er das, w�hrend die Infantin, die die Projektion in Gang setzte, sie jederzeit wegbrechen lassen und das Spielzeug wieder zum Gegenstand machen kann ("Geschenkt und schon verdorben, das Spielzeug zum achtzehnten Geburtstag. - Gut, ich tanze weiter.").

Ein ziemlich kr�ftiger, irgendwie an Michael Piccoli erinnernder Daniel Kirch singt den aus seinem Kaufmannsgeschwiemel zur blutigen Leidenschaft erwachenden Simone, eine kindlich-sadistisch ausspielende Sin�ad Mulhern die Infantin, ein ganzes Ensemble junger S�ngerinnen und S�nger spielen die dienernden Hof-Schranzen und kichernden Kleinhof-G�ren, und es bleibt nur zu hoffen, dass auf die Infantin doch noch ein wenig von ihrer Lieblingszofe Ghita inniger Sch�nheit hin�berf�rbt. Was anderes freilich sollte solchen Anstrich und solches Ein-Dr�cken bewirken k�nnen als - Musik? Uns jedenfalls hat sie eine Traurigkeit geschenkt, die Douglas Nasdrawis "Sage, dass ich sch�n bin" in die lackierte, flirrende, s��schwer nach Bl�ten duftende Finsternis des Berliner Abends mit sich hinaustr�gt. (anh)


Eine Florentinische Tragödie


Der Zwerg


Fotos: © Monika Rittershaus