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Manchmal braucht die Liebe einen
Toten
Zemlinskys Einakter "Eine florentinische Trag�die" und "Der Zwerg" an
der Komischen Oper Berlin Nein, dies sind nicht eigentlich Repertoirest�cke,
auch wenn ihre Premiere im November letzten Jahres stattfand, schon gar
nicht, freilich, wenn mit Kimbo Ishii-Eto ans Pult ein Dirigent tritt,
der bisweilen andere Auffassungen vom Tempo hat als sein Vorg�nger.
Man kann dennoch - so absehbar es ist - erschauern, leider nicht schon
bei der m�rderischen anagnorisis, dem Wiedererkennen zweier Eheleute,
die einander verloren hatten und sozusagen �ber der Leiche eines Geliebten
neu ineinanderfallen, aber doch, wenn der Missgestaltete, der seinen K�rper
allezeit f�r den eines hellenistischen G�tterboten hielt, feststellen
muss, dass er nichts ist als ein... das englische Wort sagt es ganz fies:
"Dwarf".
Wie weit Imagination der Kunst und soziale, �sthetische Realit�t auseinanderfallen,
macht Douglas Nasrawis Zwerg auch dann klar, wenn wirklicher Sch�nklang
die Sache seiner Stimme weniger ist als unbedingter, expressionistischer
Ausdruck. Das passt vorz�glich in die Zeit und die Aura dieser bisweilen
freitonal schwingenden, �ppigen, nicht selten den Schmelz der Zwanziger
Jahre �ber den B�hnenboden schmierenden Musik; man h�rt ein bisschen Franz
Schmidt, den jungen Strauss, ein bisschen Schoeck und, selbstverst�ndlich,
Schreker - synkretistische Kl�nge, die dem Kunst-Projekt Oper bis heute
eine Energie und Gegenw�rtigkeit verleihen, die mir �berhaupt nicht ausgesch�pft
zu sein scheinen und - kombinierte man sie "schmutzig" mit gleicherma�en
Rock, Jazz und Neuer Musik - als bewusster Zusammen-Klang zu noch v�llig
anderen, intensiven Formen eines zeitgen�ssischen Musikdramas f�hren k�nnten.
Um Intensit�t n�mlich geht es, und in seinen besten Momenten wird das
in dieser Auff�hrung geradezu unmittelbar klar - etwa wenn Gun-Brit Barkmins
Ghita dem Zwerg endlich gibt, was ihm die Infantin kindersadistisch noch
ins Sterben hinein verweigert: das Bewusstsein, "sch�n" zu sein, das hei�t
eine Leidenschaft zu haben (sie zu sein), die er auch erf�llt, und zwar
in ihr. Sie n�mlich hat seine Liebeskraft gef�hlt, in Wirklichkeit
ist er ihr Geschenk gewesen. Doch das wussten beide nicht.
W�hrend Andreas Homoki im ersten Einakter - "Eine florentinische Kom�die"
- vor allem die Ehefrau (Randi Stene) von Zeit zu Zeit etwas hilflos auf
der B�hne herumstehen l�sst, mehr als blo� szenisch-verwirrt, hat er das
zweite St�ck "Der Zwerg" v�llig im inszenatorischen Griff. Dabei sind
beide B�hnenideen gleicherma�en �berzeugend: Im Ehedrama ist das Haus
des Kr�mers b�hnenhoch aus Kartons gebaut, aus denen sich nach und nach
die n�tigen Requisiten herausgekramen (-kr�mern) lassen; zudem kann beim
Mord leicht - symbolisch wie real schl�ssig - eine ganze Wand einst�rzen:
dahinter das Nichts der unbeleuchteten, nachtschwarz saugenden B�hne;
im "M�rchen" sind s�mtliche Spielzeuge ins Riesige �berdimensioniert,
so dass die Personen wirklich wie Figuren wirken, die erst die Kinderfantasie
der Infantin beleben muss... was sich wie eine Gruppenhalluzination auf
s�mtliche Mitwirkende, vor allem aber die Zuschauer �bertr�gt: Wir sehen
den Zwerg, der aus seinem Kistchen niemals hinauskann (das ist inszenatorisch
wahnsinnig geschickt), tats�chlich als "Gesch�pf", aber f�r uns bleibt
er das, w�hrend die Infantin, die die Projektion in Gang setzte, sie jederzeit
wegbrechen lassen und das Spielzeug wieder zum Gegenstand machen kann
("Geschenkt und schon verdorben, das Spielzeug zum achtzehnten Geburtstag.
- Gut, ich tanze weiter.").
Ein ziemlich kr�ftiger, irgendwie an Michael Piccoli erinnernder Daniel
Kirch singt den aus seinem Kaufmannsgeschwiemel zur blutigen Leidenschaft
erwachenden Simone, eine kindlich-sadistisch ausspielende Sin�ad Mulhern
die Infantin, ein ganzes Ensemble junger S�ngerinnen und S�nger spielen
die dienernden Hof-Schranzen und kichernden Kleinhof-G�ren, und es bleibt
nur zu hoffen, dass auf die Infantin doch noch ein wenig von ihrer Lieblingszofe
Ghita inniger Sch�nheit hin�berf�rbt. Was anderes freilich sollte solchen
Anstrich und solches Ein-Dr�cken bewirken k�nnen als - Musik? Uns jedenfalls
hat sie eine Traurigkeit geschenkt, die Douglas Nasdrawis "Sage, dass
ich sch�n bin" in die lackierte, flirrende, s��schwer nach Bl�ten duftende
Finsternis des Berliner Abends mit sich hinaustr�gt. (anh) |
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