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KEINE FORTSCHRITTS-ILLUSIONEN
Der zum Scheitern verurteilte Wahn
des Machbaren ist Gegenstand einer multimedialen Kollage auf der perfektionistischen
B�hne des renommierten Bielefelder Musiktheaters. Als Auftragsproduktion
wird Lutz H�bners "Franklin-Expedition" mit der Streich-Quartett-Musik
von Cong Su mit allen theatralen Mitteln pr�sentiert.
Mitte des 19. Jahrhunderts wollten die Engl�nder mit strotzendem Selbstbewusstsein
die Nord-West-Passage als arktischen Seeweg nach Asien erzwingen; die
Expedition Franklins scheiterte, die Schiffe blieben verschollen.
Lutz H�bner entwickelte eine fast dokumentarische Collage aus Akten der
Admiralit�t, Briefen der Beteiligten und filmischen Einspielungen. Optisch
beherrschend: Filmsequenzen nach Flahertys legend�rem Film "Nanook of
the North" von 1922, historische Ereignisse ins Milieu hineintragend,
das Leben als Kampf zeigend - bei H�bner sowohl im viktorianischen England
als auch im unwirtlichen Polargebiet.
Tom Presting (B�hne) nutzt die Projektionen und ein Regal mit �berlebensapparaturen
als M�glichkeiten der schwierigen Darstellbarkeit zivilisationskritischer
Reflexion. Lutz H�bners Regie zeigt exemplarische Personen - Franklins
Witwe, einen Eskimo im akuten Lebenskampf, gegenst�ndliche Motive elementar
umsetzend, wenige, aber hochkalkulierte Bewegungen. Dazu begleitet, verst�rkt
und kommentiert das Bielefelder Florestan-Quartett mit pr�ziser minimalistischer
Musik von Cong Su, dem begnadeten Sch�pfer oscar-pr�mierter Filmmusiken
(Bertoluccis Letzer Kaiser). Abgesehen von zitierten Liedtexten gibt es
keinen Gesang, die fantastischen Schauspieler bringen ihre Kunst als Sprecher
und Darsteller ein. Blixa Bargelds per Tontechnik vermittelten Kommentare
verbinden die Szenen.
Avanciertes (Musik-)Theater verzichtet auf die Illusionsmechanismen der
Oper, vermittelt den "Ton von Unheil" (Adorno), konfrontiert das Auditorium
mit imaginativer Sensibilit�t, und findet die kommunikative Verbindung
sowohl zwischen den B�hnenfiguren als auch zum Publikum.
Ob des genre�berschreitenden Opus reagierten Teile des Premierenpublikums
irritiert, doch gewannen schlussendlich die Kraft des Sujets, die Perfektion
der Produktion mit dem Zusammenspiel die emphatische Zustimmung! (frs)
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