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Aktuell "bemeistert"
Der Hans Sachs ist ein liebenswerter Zeitgenosse, der unbefangen-offene
"Normalo" im etablierten Betrieb der Meister. Aber dieser "Stimme des
Volkes" k�nnen alle Ma�st�be verrutschen, wenn er im blinden Eifer gegen
alles Undeutsche bramabarsierend zu Felde zieht. Die Multikulti-Versammlung
auf der Festwiese verl�sst den Platz, selbst die Meister sind irritiert,
es bleibt die Aussprache Sachs-Beckmesser und man ahnt, wie sie ausgehen
wird.
Gregor Horres gelingt mit dem letzten Bild das furios-aktuelle Res�mee
zum 1. Mai, dem historischen Tag Europas. Zuvor gibt es f�nfeinhalb Stunden
munteres Theater mit individuellen Charakteren und turbulenten Massenszenen.
Kirsten Dephoffs B�hne verweist auf die Verwobenheit der Zeiten mit mittelalterlichen
Bildern, einem klassizistischen Dichter-Denkmal und einem b�hnenf�llenden
Buch, aus dem die Erinnerungen steigen.
Die Meister sind allesamt pr�zis gezeichnete Charaktere, auch die "kleinen"
Akteure liefern ziselierte Rollenportr�ts: Ulrich Neuweiler als renitenter
Schneider, Lassi Partanen als quirliger Gew�rzkr�mer usw. usf. Hans Gripentrog
gibt einen altv�terlichen Pogner, stimmlich sonor. Doch der Hans Sachs
Wolfgang Kochs �berstrahlt die Szene: eine junge Stimme mit kernigem timbre
und gro�en M�glichkeiten in der Phrasierung. Und Richard Salfer: eine
Nicht-Karikatur des Beckmesser, stimmlich ausgewogen, das Minne-Singen
durchaus klangsch�n zelebrierend. Schlie�lich ein hinrei�end agierender
und emotional singender David des stupenden Simeon Esper. Die glockenhelle
Stimme Melanie Kreuters gibt der Eva mehr Charakter als ihr Agieren. Luca
Martin - als indisponiert angek�ndigt - gibt einen verliebt-z�gerlichen,
gar nicht stolzen Stolzing. Wieder einmal ist in Bielefeld Singen auf
h�chstem Niveau zu h�ren!
Das 70-k�pfige Philharmonische Orchester der Stadt Bielefeld beweist unter
dem hochaufmerksamem Peter Kuhn, dass es keiner Monster-Orchester bedarf,
um Wagner zu spielen. Aus eher breiiger Ouvert�re entsteht im Verlauf
des spannend-unterhaltsamen Abends ein differenzierter Orchesterklang
mit brillanten Instrumenten-Soli und distanziertem Gestus im sonst so
martialischen Finale.
Zur Fest-Premiere an�sslich des 100-j�hrigen Jubil�ums des Bielefelder
(B�rger-)Theaters bev�lkerten zahlreiche theaterungewohnte Honoratioren
das Haus - die konservative Ratsmehrheit will ihre Theater-Demontage offenbar
durch scheinbare Akzeptanz kaschieren. Man kann gespannt sein, welche
Unterst�tzung das brillante Haus in den Jahren der "Heimatlosigkeit" w�hrend
des zweij�hrigen Umbaus erfahren wird - und mit welchen Konditionen der
zuk�nftige Intendant (Regula Gerber geht 2005 nach Mannheim) zu rechnen
hat. Am 1. Mai jedenfalls standing ovations in Ostwestfalen. (frs) |
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